Die LBBW Immobilien Gruppe will in der Lautenschlagerstraße ein großes Bauvorhaben umsetzen. Davon betroffen sind diverse Einzelhändler, aber auch das Filmbüro und der Club Rocker 33. Letzteren wurde zum 30. November gekündigt.

Stuttgart - Das Filmbüro Baden-Württemberg bezeichnet sich auf seiner Website selbst als „gemeinnütziger Kulturverein mit Sitz im traditionsreichen Stuttgarter Filmhaus“. Geht es nach der LBBW Immobilien Gruppe, der das Gebäude gehört, ist der zweite Teil der Selbstbeschreibung ab 30. November Geschichte. Die LBBW-Immobilien-Abteilung hat dem Filmbüro, dem Club Rocker 33 und allen anderen Existenzgründern am Freitag schriftlich mitgeteilt, dass der Mietvertrag nicht über Ende November hinaus verlängert werden kann, wie die Stuttgarter Zeitung exklusiv erfahren hat.

 

„Wir überlegen uns, das komplette Areal zu entwickeln. Da ergibt es keinen Sinn, sich längerfristig zu binden“, erklärt Brigitte Reibenspies, Sprecherin der LBBW Immobilien GmbH. Nach StZ-Informationen ist nicht nur das ehemalige Filmhaus von den Plänen der Immobiliengesellschaft betroffen. Auch der Gebäudekomplex in der Lautenschlagerstraße, in dem sich der Einzelhandel Tausendschön, ein Friseur und das Vermessungsamt der Stadt Stuttgart befinden, sind Teil der LBBW-Pläne. „Die Lautenschlagerstraße hat sich sehr positiv entwickelt. Da bietet es sich an, dass wir mit unserem Gebäudekomplex nachziehen“, sagt Reibenspies. Die Pläne der LBBW wollte sie auf Nachfrage nicht konkretisieren. Die betroffenen Mieter seien aber im Bilde. „Dem Stadtmessungsamt wurde fristgerecht zum 30. September 2014 gekündigt. Die Verwaltung sucht derzeit nach Alternativlösungen“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart.

Wurden die Kreativschaffenden von der Bank hingehalten?

So lange Zeit haben Carlos Coelho und seine Mitstreiter vom Rocker 33 nicht mehr. Die Kreativschaffenden aus dem Filmhaus üben Kritik an der LBBW: „Wir wurden wochenlang hingehalten mit der Ansage, dass geprüft wird, ob wir zumindest eine monatsweise Verlängerung des Mietverhältnisses bekommen können. Jetzt teilt man uns zwei Wochen vor Ende des Mietverhältnisses mit, dass dies nicht möglich ist. Das ist eine Katastrophe“, sagt Coelho. Aus wirtschaftlichen Gründen habe man zweigleisig fahren müssen und bereits etliche Künstler für die kommenden Monate gebucht – ohne einen Plan B für eine andere Spielstätte in der Tasche zu haben. „Uns ist klar, dass eine Zwischennutzung impliziert, dass die Nutzung irgendwann zu Ende ist. Die Bank hat uns aber jetzt die Möglichkeit geraubt, das Gastspiel sauber zu Ende zu führen.“ Coelho und seine Mitstreiter finden es überdies unverständlich, dass die Bank lieber auf Mieteinnahmen verzichtet und das Gebäude leer stehen lässt, statt das Mietverhältnis wenigstens schrittweise zu verlängern.

Oliver Mahn, Vorstand des Filmbüros Baden-Württemberg, sieht in der Kündigung ebenfalls eine Katastrophe. „Wir können unter keinen Umständen innerhalb dieser kurzen Zeit umziehen“, sagt er. Nicht nur die Räumlichkeiten im ersten Stock müssten geräumt werden, sondern auch eine gut achtzig Quadratmeter große Fläche im Keller des Gebäudes. Katastrophal sei auch der Zeitpunkt der Kündigung: Oliver Mahn und seine Mitarbeiter sind derzeit in der Endphase der Vorbereitung der Filmschau Baden-Württemberg, die Anfang Dezember in Stuttgart stattfindet.

LBBW: Mieter wussten seit Wochen Bescheid

Brigitte Reibenspies erklärt hingegen, die Kreativschaffenden hätten seit Wochen gewusst, dass der Mietvertrag nicht verlängert wird. „Es ist richtig, dass wir noch keinen Bauantrag gestellt haben. Irgendwann muss man aber auch mal sagen, ,das war es jetzt’, damit wir besser planen können.“ Laut Reibenspies müsste man in den Erhalt des Filmhauses investieren, da das Gebäude bauliche Defizite vorweise. „Das Investieren ergibt aber keinen Sinn, wenn man ganz andere Pläne für das Areal hat.“

Zumindest der Gemeinderat wird über diese Pläne bald besser Bescheid wissen. Das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung wird am 19. November im Ausschuss für Umwelt und Technik zum Thema „Bauvorhaben ,Friedrich L.’ Lautenschlagerstraße 22-24“ informieren. Der nicht öffentliche Bericht basiert auf Unterlagen der LBBW Immobilien.

Vermieter macht wenig Hoffnung auf Kompromiss

Bei der Stadt Stuttgart äußert man sich zum Aus für die Kreativschaffenden eher zurückhaltend. „Der OB hat sich im Frühjahr erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Filmhaus länger, eben bis Ende November 2013, für die Zwischennutzung zur Verfügung steht. Eine Zwischennutzung funktioniert aber nur dann, wenn klar ist, dass die Nutzung auch fristgemäß und vertragskonform endet“, erklärt Sven Matis. „Klar ist: Stuttgart tun Zwischennutzungen gut. Dazu braucht es aber wie gesagt klare Spielregeln und Unternehmer, die Kreativen Freiräume ermöglichen“, so Matis weiter.

Angesichts der Tatsache, dass die Stadt nach wie vor händeringend nach Raum für kreative Nutzung sucht – Stichwort Röhre, Stichwort Zapata – dürfte sich die Begeisterung im Rathaus über die nun unweigerlich folgende nächste Runde der Diskussion in Grenzen halten. „Die Stadt hilft bei der Suche nach pragmatischen Lösungen. Dazu wurde eigens eine Arbeitsgruppe gegründet, die alle relevanten Ämter an einen Tisch holt“, sagt Sven Matis. Inwieweit diese Runde in Sachen Filmbüro und Rocker 33 bereits aktuell helfen kann, ist fraglich. Große Hoffnung auf einen Kompromiss macht auch LBBW-Sprecherin Brigitte Reibenspies den Kreativen nicht. „Wir sollten jetzt nicht anfangen, um einzelne Monate zu schachern.“

Wie passend, dass auf der vom Filmbüro veranstalteten Filmschau Baden-Württemberg am 6. Dezember ein Film Premiere feiern wird, der sich mit dem schweren Stand der Stuttgarter Subkultur beschäftigt. Filmemacher Denis Pavlovic hat in seinem Dokumentarfilm der Röhre und anderen Subkulturorten, die längst verschwunden sind, ein Denkmal gesetzt. Die Aftershowparty zum Film findet laut Facebook-Seite des Dokumentarfilms im Rocker 33 statt. Damit ist Stand jetzt eher nicht mehr zu rechnen. Der Titel des Films ist übrigens beängstigend vorausschauend. Er lautet: „Wo tanzen wir morgen?“