Um seine Kinder vom Internet wegzulocken, hat ein Vater in der kanadischen Stadt Toronto seinen Kindern im Garten ein Baumhaus gebaut – eine beeindruckende Konstruktion in der Form eines Schiffs. Nun droht der Abriss: Das Schiff widerspricht mit seiner Größe offenbar städtischen Bauvorschriften.

Toronto - Für den zehnjährigen Kristian und seinen achtjährigen Bruder Matheas ist es ein Paradies. Sie stehen an Bord ihres Schiffs, das einen großen Teil ihres Gartens im Wohngebiet Swansea in Toronto überragt, und drehen an einem Steuerrad, ein Seil und eine Strickleiter hängen herunter. Vor einigen Jahren hatte John Alpeza begonnen, für seine Kinder ein Baumhaus zu bauen. Statt vor dem Bildschirm zu sitzen und sich mit Videospielen zu beschäftigten, sollten sie lieber im Garten spielen, meinte ihr Vater, der selbst ein Bauunternehmer ist. Es begann als ein schlichtes kleines Haus, wurde nach und nach vergrößert und bekam schließlich die Form eines Schiffs. Jetzt ist das sogenannte Baumhaus Gegenstand eines Streits zwischen Alpeza, der Stadt Toronto und einigen Nachbarn.

 

Ein klassisches Baumhaus, das in der Astgabel eines Baum sitzt und aus ein paar zusammengenagelten Brettern besteht, ist das „tree house“ von Toronto nicht. Es sitzt auch nicht in einem Baum, sondern thront auf einem Baumstumpf nahe des Zauns, der die Grenze zum Nachbarn bildet, mehrere Meter über dem Erdboden. Die Grundfläche ist knapp über zehn Quadratmeter groß, und Alpeza hat sich das Bauwerk einiges kosten lassen. Umgerechnet 20 000 Euro will er für das Baumaterial ausgegeben haben.

Bereits im August 2014 flatterte Alpeza ein Schreiben der Stadt Toronto ins Haus, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass das Baumhaus eine Verletzung der Bauvorschriften für das Wohngebiet darstelle. Vorausgegangen war eine Beschwerde der Nachbarn. Die Stadt zeigte ihm mehrere Optionen auf: Er könne bezüglich der „exzessiven Höhe“ und des ungenügenden Abstands von der Grundstücksgrenze eine „geringfügige Änderung“ der Bauordnung beantragen, das Baumhaus verändern oder beseitigen. Falls er die Anordnung missachte, drohten rechtliche Schritte der Stadt und ein Bußgeld. „Ich habe in gutem Glauben mehr als eineinhalb Jahre mit der Stadtverwaltung zusammengearbeitet und Anträge und Zeichnungen vorgelegt, um unser Baumhaus genehmigt zu bekommen“, klagt Alpeza. Die Stadt bestätigt die Kontakte mit ihm, die aber offensichtlich zu keinem Ergebnis führten. Daher habe er jetzt die „letzte Warnung“ erhalten, dass ein Verfahren gegen ihn eingeleitet werde, wenn er der Satzung nicht folge. Alpeza sah dies als Drohung mit einem Zwangsabriss.

Der Familienvater hat Unterstützer, die ihm unter dem Motto „Rettet das Boot“ Mut zusprechen. Andererseits gibt es aber auch die Nachbarn, die überhaupt nicht glücklich sind: „Es sieht aus wie die Mauer in Berlin“, sagt eine 90-jährige Frau. Wegen des Schiffs, das direkt an der Grundstückgrenze gebaut wurde, falle kein Sonnenlicht in ihren Garten. „Alle meine Blumen gingen ein. Ich hatte herrliche Rosen.“ Der Wunsch der alten Dame, in hohem Alter ihren Garten und die Rosen genießen zu können, sei ebenso hoch einzuschätzen wie das Interesse Alpezas, den Garten zu nutzen, heißt es in einem Leserbrief im „Toronto Star“.

Vielleicht spielt auch ein früherer Nachbarschaftskonflikt eine Rolle, denn die Nachbarin hatte vor Jahren Alpezas Antrag auf Genehmigung einer dreigeschossigen Erweiterung seines Hauses abgelehnt.

Auch Torontos Bürgermeister John Tory wurde in die Kontroverse reingezogen. Auf einer Pressekonferenz, in der er zur Wohnungspolitik Stellung nahm, wurde er zum Baumhaus befragt. „Ich bewundere die Kreativität“, sagte er über Alpezas Bauwerk. Er müsse aber auch Sicherheitsbedenken und die Einwände von Nachbarn ernst nehmen. Tory bat seine Beamten, nochmals mit Alpeza zu sprechen und nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. Die Stadt wolle nicht als „Spielverderber“ auftreten. Jetzt hat Alpeza die Änderung der Bauordnung beantragt, und solange dieses Verfahren läuft, will die Stadt von weiteren Schritten absehen. Nachdem er sich bereits auf den Abriss des Baumhauses eingestellt hatte, hat Alpeza nun etwas Zeit gewonnen. „Für fast alle Eltern ist es ein Kampf, den sie verlieren. Man kann gegen Internet und Videospiele nicht mithalten“, sagt er über sein Motiv, seine Jungs zum Spiel im Freien zu animieren. Das Baumhaus scheint ihm bislang geholfen zu haben, diesen Kampf zu bestehen.