Der NSU-Auschuss des Landtags geht der Mitgliedschaft von Polizisten beim Ku-Klux-Klan nach. Aufdeckt hatte das rassistische Treiben der Verfassungsschutz. Doch die Polizeiführung reagierte verhalten. Warum eigentlich?

Stuttgart - Das Anwerben von Informanten aus dem rechtsextremen Milieu ist ein heikles Unterfangen. Polizei und Verfassungsschutz setzen sich dem Vorwurf aus, den Extremismus, den sie bekämpfen sollen, selbst zu füttern. Und alles nur, so ein weiterer Vorhalt, um am Ende von den V-Leuten an der Nase herumgeführt zu werden. Ganz ohne Quellen aus der Szene kommen die Sicherheitsbehörden aber auch nicht aus. Das Gesamtbild, das sich etwa im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Aufarbeitung der Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ergab, ist ernüchternd. Ein Streiflicht aus dem Ausschussprotokoll:

 

Frage des Abgeordneten Jens Petermann (Die Linke) an eine Zeugin, die fast zwei Jahrzehnte als Referatsleiterin im baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz arbeitete: „Können Sie sich an ein Ereignis erinnern während Ihrer Dienstzeit, wo Sie mal das Gefühl hatten, in Ihrem Bereich Rechtsextremismus richtig erfolgreich gewesen zu sein, also mal Hinweise gefunden zu haben auf bevorstehende Straftaten oder Hinweise zur Aufklärung von Straftaten?“

Antwort der Zeugin: „Das ist eine gute Frage.“

Der Verfassungsschutz ist dabei

Mitunter führt das Abschöpfen von V-Leuten aber doch zu Erkenntnissen, wenn auch zu unbequemen. Im jetzt vorgelegten Regierungsbericht für den NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags streift das Innenministerium nochmals die Mitgliedschaft von mindestens zwei Polizisten beim Ku-Klux-Klan (KKK). Gegründet hatte die Klan-Filiale in Schwäbisch Hall ein gewisser Achim Schmid, der V-Mann des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) gewesen war, aber als Informant abgeschaltet wurde, nachdem er den Stuttgarter Verfassungsschützern von seinem KKK-Treiben nichts erzählt und sich damit als unzuverlässig gezeigt hatte. Indes befand sich in der Kapuzentruppe noch ein anderer, aktiver V-Mann, der später dem Umfeld des NSU-Trios Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe zugerechnet werden konnte: Thomas Richter alias Corelli. Er bediente gegen satte Bezahlung das Bundesamt für Verfassungsschutz. Von Corelli, der später überraschend einer Diabetes-Erkrankung erlag, wusste das BfV von den baden-württembergischen Polizisten, die sich von November 2001 bis September 2002 dieser rassistischen Gruppierung angeschlossen hatten. Das BfV gab die Information an die Stuttgarter Kollegen weiter.

Der damalige LfV-Präsident Helmut Rannacher setzte erstmals im Mai 2002 den damaligen Landespolizeipräsidenten Erwin Hetger von der KK-Mitgliedschaft in Kenntnis. Vor dem Berliner Untersuchungsausschuss sagte Rannacher später: „Es gab von vornherein Hinweise, dass es mehrere oder weitere Kontakte außer diesen beiden gibt. Das konnten wir allerdings nie verifizieren. Ich habe gleich in den ersten Gesprächen auf drei weitere (Polizisten) hingewiesen gehabt, dass es da zumindest Kontakte gibt.“ Die Polizeiführung ging den brisanten Hinweisen Rannachers jedoch mit gebremsten Eifer nach. Im Berliner Untersuchungsausschuss antwortete Rannacher im April 2013 auf die Frage der SPD-Abgeordneten Eva Högl, wie er denn den Umgang der Polizeiführung mit der Affäre bewerte, zunächst ausweichend. Rannacher: „Das ist etwas schwierig, Frau Abgeordnete, nun die Maßnahmen der Polizeiführung hier zu bewerten.“

Högl: „Ach machen Sie es mal. Sie sind im Ruhestand.“

Rannacher : „Ich -- Wir haben ja mehrfach in der Tat nachgehakt, nachhaken müssen, weil sich das scheinbar etwas verloren hat, die Reaktionen. Ich hätte es mir etwas anders gedacht, das weitere Vorgehen. Das gebe ich gerne zu.“

Schwaches Erinnerungsvermögen

Schon vor Rannachers Auftritt im Ausschuss hatte Innenminister Reinhold Gall einen Bericht über die im Zuge der NSU-Aufarbeitung bekannt gewordene KKK-Mitgliedschaft der Polizisten vorgelegt. Darin wird die verhaltene Aufklärung des rassistischen Treibens von Polizeibeamten des Landes dokumentiert. Zweierlei machte der Bericht deutlich: Die damals involvierten Polizeiführer vermochten sich nur schwer an den Vorgang zu erinnern – was verwundert, wo doch die KKK-Mitgliedschaft von Polizisten vermutlich nicht alltäglich ist. Und die Sanktionen fielen außerordentlich milde aus. Die beiden Polizisten kamen – Mitte beziehungsweise Ende 2005 – mit einer Rüge beziehungsweise Zurechtweisung davon. Dabei hätte einer der beiden Polizisten, Beamter auf Probe, ohne Weiteres entlassen werden können.

Warum das so lange dauerte, ließ Galls Bericht offen: Die Gründe dafür seien nicht mehr aufzuklären gewesen. Vielleicht bringt der Untersuchungsausschuss des Landtags mit der Befragung von damals Verantwortlichen Licht ins Dunkel. Offen ist auch noch, was es mit den anderen drei – namentlich bekannten – Polizisten auf sich hat, die sich für den Ku-Klux-Klan interessiert haben sollen. Die beiden Polizisten Timo H. und Jörg W. gehörten zum Zeitpunkt ihrer KKK-Aktivitäten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) 514 bei der Bereitschaftspolizei in Böblingen an. Timo H. tat später in der BFE 523 Dienst, der auch die in Heilbronn ermordete Polizistin Michéle Kiesewetter angehörte. Im Regierungsbericht heißt es, es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kontakte des Timo H. und des Jörg W. zum KKK im Mordfall Heilbronn irgendeine Rolle gespielt haben könnten.