Der Beamtenbund im Südwesten will mit der künftigen Landesregierung einen besseren Dialog pflegen als mit der grün-roten Koalition unter Winfried Kretschmann. Er werde nach der Landtagswahl nach vorne schauen und nicht zurück, sagt Volker Stich.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Seit dem 10. Juli ist das umstrittene Tarifeinheitsgesetz, das vor allem die berufsständischen Gewerkschaften als existenzielle Bedrohung ansehen, in Kraft. Dass sich die Wogen nun glätten werden, ist aber nicht zu erwarten: „Dies ist das überflüssigste Gesetz, das die große Koalition in dieser Legislaturperiode verabschiedet hat“, schimpft Beamtenbund-Vize Willi Russ. Es sei „feige im Ansatz“, weil die gesamte Last auf die Arbeitsgerichte verschoben werde – und es sei „handwerklich schlampig gemacht“. Zu viele Fragen blieben offen. „Wie ein Brandbeschleuniger“ werde es in den Unternehmen wirken und die Konkurrenz vor Ort befeuern. „Die Solidarität wird auf der Strecke bleiben.“

 

Allen Warnungen zum Trotz hat Bundespräsident Joachim Gauck das Gesetz am 6. Juli unterzeichnet, womit er sich mehr Zeit ließ als gedacht. „Wir wissen aus dem Präsidialamt, dass er sich das nicht leicht gemacht hat“, berichtet Russ. Denn sollte das Gesetz beim Verfassungsgericht scheitern, hätte auch Gauck verloren. Kanzlerin Angela Merkel wiederum habe in einem Gespräch unter vier Augen mit dem Chef des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, ihr Eintreten für das Gesetz damit begründet, dass sie dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt und dem früheren DGB-Chef Michael Sommer vor gut vier Jahren „ihr Wort“ gegeben hätte. Inhaltlich habe sie sich nicht festgelegt.

Gründliche Verfassungsklage in Vorbereitung

Unionsfraktionschef Volker Kauder habe sich hinter dem Hinweis „versteckt“: der Innen- und der Justizminister hätten erklärt, dass das Gesetz verfassungsgemäß sei. „Generalstabsmäßig“ sei das Vorhaben abgearbeitet worden, zumal die Arbeitgeberverbände einen „Deal“ erwirkt hätten: Das Mindestlohngesetz würden sie nur akzeptieren, wenn sie die Tarifeinheit bekämen, schildern Russ und Hans-Ulrich Benra, ein weiterer Beamtenbund-Vize.

So habe auch die „Seelenmassage“ bei den Abgeordneten wenig bewirkt. Viele hätten ihre Zustimmung mit dem Hinweis begründet: „Ihr geht ja ohnehin nach Karlsruhe.“ Tatsächlich ist die nächste Stufe des Widerstandes gezündet: Mit Inkrafttreten des Gesetzes reichten der Marburger Bund, die Vereinigung Cockpit und der Journalistenverband Verfassungsbeschwerde und einen Antrag auf einstweilige Anordnung ein. Der erste Senat des Gerichts fordert schon Stellungnahmen an. Binnen acht bis zehn Wochen könnte er über das Eilverfahren befinden. Eine Ablehnung würde das Hauptsacheverfahren präjudizieren, sorgt sich Russ. Seine Organisation lässt sich mit der Klage Zeit bis Herbst – es gelte „Qualität vor Schnelligkeit“. Das Verfahren selbst dürfte mindestens ein Jahr dauern.

Versöhnliche Töne gen Landesregierung

Versöhnliche Töne schlug der Landesbundchef Volker Stich gegenüber Journalisten an. Im Visier hatte er den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Der Grüne hatte jüngst beim politischen Sommerfest übellaunig auf Stichs Ausführungen („eine beinhart politische Rede“) reagiert. Der Beamtenvertreter ließ sich zwar erneut über das angespannte Verhältnis aus, wonach es etwa in der Legislaturperiode kein politisches Spitzengespräch gegeben hätte – im Gegensatz zu früher und im Unterschied zu anderen Ländern, wo sich „die Ministerpräsidenten ohne Ausnahme geehrt fühlen, zu uns zu kommen“. Doch er kündigte auch an, nach der Landtagswahl am 13. März 2016 nach vorne, nicht zurück zu schauen. Er wolle „offen auf die neue Regierung zugehen, unabhängig davon, wie sie zusammengesetzt ist“.

Zum Zweck eines besseren Dialogs in Zukunft will man auch auf größere Protestkundgebungen im Wahlkampf verzichten. Am Montag wird der Landesbund öffentlich kundtun, was er sich von der nächsten Regierung erwartet. Klar ist: Mit Grün-Rot wird es aufgrund der Verschiebung der Besoldungserhöhung keine Kooperation mehr geben. Denn der Beamtenbund im Südwesten sieht sich damit gegenüber allen anderen Ländern – außer Hessen – im Hintertreffen. Die Beamten ab Besoldungsgruppe A12 aufwärts müssten nun acht Monate auf mehr Geld warten – das sind Stich zufolge immerhin 71 Prozent seiner Mitglieder in diesem Bereich.