Claudia Stöckle wird abgesetzt und alles wieder gut? So einfach ist die Krise der Hochschule Ludwigsburg nicht zu lösen. Auch die Rolle von Ministerin Bauer ist fragwürdig, kommentiert der StZ-Redakteur Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nun soll also wieder Ruhe einkehren an der seit Monaten von Querelen erschütterten Beamtenhochschule in Ludwigsburg. Die so umstrittene wie streitbare Rektorin Claudia Stöckle ist bereits vom Amt suspendiert, ihre offizielle Abwahl scheint nur noch Formsache zu sein. Ein von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) beauftragter Pensionär soll die Wogen glätten und einen Neuanfang an der zentralen Ausbildungsstätte für die Landesbehörden einleiten. So stellt es sich die zuständige Ressortchefin vor, die nun energisch durchgreift, nachdem sie dem Hauen und Stechen monatelang vorwiegend zugesehen hat.

 

Dauerhafte Ruhe indes wird Bauer so nicht schaffen. Allzu kurz greift ihre Lösung, bei der die Rektorin zum alleinigen Sündenbock gestempelt wird. Gewiss hat Stöckle ihren Anteil an der völlig verfahrenen Lage; eine Diplomatin ist an ihr nicht verloren gegangen. In Wahrheit aber ist in Ludwigsburg ein Totalversagen zu besichtigen: versagt haben Professoren und Dekane, die die für sie anstrengende Rektorin mit höchst fragwürdigen Mitteln bekriegten, versagt haben die Hochschulgremien, die nicht vermittelten, sondern den Streit teils noch anfachten, versagt hat das Wissenschaftsministerium, das sich unter Verweis auf die „Hochschulautonomie“ lange wegduckte und zuletzt nachgerade anarchische Zustände duldete. Das änderte sich erst, als die Affäre wegen ihres Medienechos für die Ressortchefin selbst politisch brenzlig wurde. Einzig die Studenten und ihre Vertreter, die stets zur Mäßigung mahnten, gaben ein gutes Bild ab.

Keine Rückendeckung fürs Aufräumen

Verstehen kann man die Erregung nur, wenn man die Vorgeschichte kennt. Unter dem früheren Rektor Walter Maier, der sicher seine Verdienste hat, ist an der Hochschule – die eigentlich Vorbild sein sollte – einiges aus dem Ruder gelaufen. Am gravierendsten waren wohl der desolate Zustand des Rechenzentrums und die unbestritten rechtswidrige Art und Weise, auf die Maier kurz vor der Pensionierung noch Professoren mit Zulagen bedachte. Zu Recht wurde 2011 daher ein Nachfolger gesucht, der in Ludwigsburg aufräumen sollte. Doch als Stöckle sich tatsächlich daranmachte, war es mit der Rückendeckung bald vorbei.

Zwei Vorgaben setzten ihr enge Grenzen: Zum einen sollte öffentlich kein Schatten auf die Ära Maier fallen – und damit auf die meisten, damals schon tätigen Aufseher. Zum anderen sollte unbedingt der „Hochschulfrieden“ gewahrt werden. Mit dieser Begründung wurde davon abgesehen, Staatsanwaltschaft und Rechnungshof einzuschalten; dabei erschien das dringend geboten. Es war ein Kurs des Unter-den-Tisch-Kehrens, wie er in Baden-Württemberg durchaus Tradition hat: die Dinge werden irgendwie intern geregelt, nichts soll nach draußen dringen. Unter diesen Bedingungen konnte Stöckle, unabhängig von ihren Schwächen, fast nur scheitern.

Merkwürdiges Verständnis von Rechtsstaat

Gescheitert ist freilich auch der vom Wissenschaftsministerium gedeckte Versuch, externe Kontrollinstanzen fernzuhalten. Die Staatsanwaltschaft, der Rechnungshof, der Datenschutzbeauftragte – sie alle wurden nun, da die Vorgänge gegen den Willen der Akteure doch bekannt wurden, von sich aus aktiv. Das ist nicht nur blamabel für Theresia Bauer und ihr Ressort, sondern wirft auch Fragen nach ihrem Verständnis des Rechtsstaats auf: Entscheidet die Regierung etwa, was die Justiz und andere unabhängige Organe untersuchen dürfen – und was nicht? Selbst eine Ministerialbeamtin war über das Gemauschel so empört, dass sie dies zu Protokoll gab. Bauers Antwort auf eine Landtagsanfrage aber weicht diesem zentralen Punkt aus.

Nein, mit Scheinlösungen wird die Hochschule Ludwigsburg nicht zur Ruhe kommen. Notwendig ist eine tiefgreifende Aufarbeitung ohne Tabus, rechtlich und auch politisch. Die Rolle des Ministeriums wird dabei mit in den Blick zu nehmen sein.