Zwei ihrer schwierigsten „Baustellen“ verdankt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) einem Geschwisterpaar: Claudia und Joachim Stöckle.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Man könnte es Theresia Bauer nicht verdenken, wenn sie auf den Familiennamen Stöckle inzwischen leicht allergisch reagiert. Für die grüne Wissenschaftsministerin verbinden sich damit gleich zwei große Herausforderungen ihrer aktuellen Amtsperiode: die längst an ihrem Ruf kratzende Affäre um die Verwaltungshochschule in Ludwigsburg und die ihr aufgezwungene Novellierung des erst vor wenigen Jahren novellierten Landeshochschulgesetzes.

 

In beiden Fällen hat es Bauer mit einer oder einem Stöckle zu tun. Da ist zum einen Claudia Stöckle (58), die frühere, auch auf Betreiben des Ministeriums abgelöste Rektorin der Beamtenschmiede. Die promovierte Juristin, heute beim Regierungspräsidium Stuttgart tätig, gilt mehr denn je als Gegenspielerin der Ressortchefin: im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Ludwigsburger „Zulagenaffäre“, wo die Grüne vor allem ihr die Verantwortung für die Turbulenzen zuwies, aber auch in den noch laufenden Gerichtsverfahren um ihre Ablösung.

Der Vater prägte die Geschwister

Und da ist der weniger bekannte Joachim Stöckle (61), promovierter Ingenieur für Nachrichtentechnik und Professor an der Hochschule Karlsruhe. Auch er liegt seit langem mit Bauers Wissenschaftsministerium im Clinch – und konnte dabei Ende 2016 einen spektakulären Erfolg erzielen: Auf seine Klage hin kassierte der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg zentrale Klauseln im erst 2014 reformierten Hochschulgesetz und verpflichtete das Land, es bis 2018 neu zu fassen. Anfangs schäumte Bauer ob der Niederlage; das Urteil, schimpfte sie, atme „den Geist der sechziger Jahre“. Nun will sie das Beste daraus machen und hat einen Entwurf vorgelegt, der den Einwänden des Klägers Rechnung tragen soll (siehe Info-Element).

Die Namensgleichheit ist kein Zufall, Claudia und Joachim Stöckle sind Geschwister. Aufgewachsen als Kinder eines Bankdirektors in Altensteig im Schwarzwald, eint sie manche Eigenschaft: beide verfügen über ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, beide nehmen Geradlinigkeit und Pflichtbewusstsein für sich in Anspruch, beide pflegen eine direkte, nicht unbedingt diplomatische Art, mit der sie auch mal anecken. Schon der Vater, Erich Stöckle, war ein „kantiger Mann, der es niemandem ganz leicht macht, wohl am wenigsten sich selbst“, wie die Lokalzeitung zu seinem 60. Geburtstag schrieb. Als Volksbank-Chef galt er als „Autorität vom alten Schlag“, der penibel auf die Einhaltung von Regeln achtete; im Geldgewerbe hatte es schließlich besonders korrekt zuzugehen. Sein Vorbild, meinen Kenner der Familie, habe die Kinder geprägt.

Es geht um die Macht an Hochschulen

Auch heute pochen die streitbaren Geschwister auf Rechtstreue und Gerechtigkeit. Im Kern geht es in ihren Fällen um die Machtverhältnisse an Hochschulen – wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive: Der Bruder begehrte als Professor gegen einen Rektor auf, dessen Willkür er sich ausgeliefert fühlte. Die Schwester legte sich als Rektorin mit Professoren an, um die Einhaltung von Regeln durchzusetzen, bei Zulagen etwa, bei Nebenjobs oder beim Brandschutz. Mitstreiter sprechen in beiden Fällen auch von Mobbing oder Machtmissbrauch – mal von „oben“, mal von „unten“. Beide werfen dem Wissenschaftsministerium vor, seiner Rolle nicht gerecht geworden zu sein. Und beide lassen im Kampf um ihr Recht nicht so schnell locker. Hätte man sie früher gehört und ernst genommen, meinen Beobachter, hätten die Konflikte nicht so eskalieren müssen.

Bei Joachim Stöckle begann der Ärger vor Jahren damit, dass er auf zu hohe Schadstoffwerte an seiner Hochschule hinwies: Trotz zahlreicher Sanierungsmaßnahmen würden die Grenzwerte für krebserregende polychlorierte Biphenyle stark überschritten. Der damalige Rektor habe sich angegriffen gefühlt und eine „Bestrafung“ verlangt. Die Folge: bei der seinerzeit üblichen Beförderung von Besoldungsklasse C 2 nach C 3 nach Dienstalter sei er übergangen worden. Stöckle wehrte sich mit Klagen vor Gericht, Eingaben an den Petitionsausschuss und Beschwerden ans Ministerium, überwiegend ohne Erfolg.

Zu viel Macht für den Rektor – oder zu wenig?

„Niemand kontrolliert die Macht des Rektors“, lautete sein Befund – das liege auch am Landeshochschulgesetz. Also zog er vor das Verfassungsgericht in Stuttgart, um „die Wissenschaftsfreiheit zu verteidigen“. Allzu erfolgsträchtig schien auch dieser Schritt nicht. Umso größer war die Überraschung, als die Richter tatsächlich forderten, die Macht zwischen Rektorat und Professoren als Trägern eben jenes Grundrechtes neu auszutarieren.

Bauers Entwurf sieht nun vor, dass die Hochschullehrer einen Rektor künftig per Urwahl des Amtes entheben können – allerdings nur in einer „tiefen Vertrauenskrise“ und in einem mehrstufigen Verfahren. Prompt warnen die Kritiker vor Nebenwirkungen: Welcher Rektor werde es noch wagen, mit unpopulären Maßnahmen bei den Professoren anzuecken, wenn er damit die Abwahl riskiere? Am Fall Claudia Stöckles habe man ja bereits gesehen, welche Folgen das haben könne. Der Aufstand von Dozenten, die sich auf die Füße getreten fühlten, kostete sie letztlich das Amt.

Die Geschwister stehen so beispielhaft auch für die ganz unterschiedlichen Interessenlagen an den Hochschulen, die die Wissenschaftsministerin unter einen Hut bringen muss. Ob bei der Gesetzesnovelle oder in der Zulagenaffäre – der Name Stöckle dürfte Theresia Bauer noch geraume Zeit verfolgen.