Desolate Zustände haben am Rechenzentrum der Hochschule Ludwigsburg geherrscht. Reihenweise sei gegen Regeln verstoßen worden, monierten interne Prüfer, auch bei Auftragsvergaben. Die Öffentlichkeit sollte nichts davon erfahren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - An der von Führungsquerelen erschütterten Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg hat es einen weiteren gravierenden Missstand gegeben, von dem nichts an die Öffentlichkeit dringen sollte. Nach dem Amtsantritt der umstrittenen Rektorin Claudia Stöckle wurde festgestellt, dass sich das Rechenzentrum der Hochschule in einem völlig desolaten Zustand befand. Der Betrieb habe weder den gesetzlichen Vorgaben noch den technischen Standards entsprochen, urteilten zwei Gutachter nach StZ-Informationen. Weil ein Sicherheitskonzept völlig gefehlt habe, seien die Daten jahrelang von Diebstahl oder Verlust bedroht gewesen. Zugleich wurden fragwürdige Auftragsvergaben im Zusammenhang mit dem Rechenzentrum aufgedeckt, bei denen es ebenfalls zu Rechtsverstößen gekommen sein dürfte. Als Folge der Probleme wurde das Rechenzentrum im Jahr 2013 mit jenem der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg zusammengelegt.

 

Die Hochschule teilte auf StZ-Anfrage mit, das Rechenzentrum habe „im Jahr 2012 dem Eindruck des Rektorats zufolge nicht dem Stand der Technik entsprochen“. Die daraufhin beauftragten Gutachter hätten einen „Optimierungsbedarf“ festgestellt, der in den Gremien diskutiert worden sei. Um langfristig moderne technische Standards zu gewährleisten, sei Ende 2013 die Fusion mit dem Rechenzentrum der Pädagogischen Hochschule beschlossen worden. Dieser Zusammenschluss sei „ein Glücksfall für unsere Hochschule“, sagte die Rektorin Stöckle. „Wir haben uns dadurch eine gute Betreuung und hohe Kompetenz gesichert.“ Schon in den letzten Monaten sei es gelungen, das Datennetzwerk zu stabilisieren und zu optimieren. Die Gremien seien stets informiert und eingebunden gewesen, betonte Stöckle, Einzelheiten unterlägen aber der Verschwiegenheit.

Aufträge ohne jede Kontrolle vergeben

Nach StZ-Informationen wurde die Situation intern ungleich brisanter eingeschätzt, als dies jetzt dargestellt wird. Der interne Gutachter, ein Professor, hatte die Zustände überaus drastisch beschrieben. Die „elementarsten Grundregeln“ für den Betrieb eines Rechenzentrums – etwa eine Inventarisierung von Hard- und Software oder regelmäßige Sicherungen – seien nicht eingehalten worden, gesetzlich vorgeschriebene und „unerlässliche“ Unterlagen nicht vorhanden gewesen. Abläufe und Arbeitsprozesse seien durchweg nicht dokumentiert worden, wodurch „jederzeit Schaden entstehen bzw. entstanden sein“ könne. Dies reiche von diversen Datenschutzverstößen bis hin zum unbemerkten Diebstahl von personenbezogenen oder prüfungsrelevanten Daten. Der externe Gutachter, ein IT-Experte, hatte diese Befunde voll bestätigt.

Besonders kritisch ging der Professor mit der Beauftragung der für das Rechenzentrum zuständigen externen IT-Firma ins Gericht. Seit 2009 habe diese Aufträge im Wert von mehreren hunderttausend Euro offenbar ohne öffentliche Ausschreibung erhalten. Was die Firma tat, sei weder regelmäßig geprüft noch systematisch gesteuert worden. Vielmehr habe sie eine „carte blanche“ – also eine Art Generalauftrag – erhalten „nach dem Motto: macht, was Ihr für richtig haltet und schickt uns die Rechnung zu“. Nachvollziehbare Berechnungen der Wirtschaftlichkeit seien offenbar nicht angestellt worden.

Aufseher schonten den Altrektor – und sich selbst

Zugleich monierte der Professor „vermutliche rechtswidrige Beschaffungsvorgänge“, bei denen der Hochschule „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden“ sei. Mehrfach empfahl er, die Vorgänge durch Vergaberechtsexperten – etwa vom Landesrechnungshof – untersuchen zu lassen. Dazu kam es jedoch nicht. „Eine über die Fachgutachten hinausgehende Einbindung Externer ist nicht erfolgt, teilte die Hochschule jetzt auf StZ-Anfrage mit, ohne dies zu begründen.

In den Gremien herrschte offenbar Konsens, dass die Vorgänge nicht öffentlich werden sollten und kein schlechtes Licht auf die Amtszeit des früheren Rektors Walter Richard Maier fallen sollte. Dadurch wäre auch die Frage nach der Verantwortung der Aufseher laut geworden, die überwiegend seit vielen Jahren amtieren. Auch Zweifel an der Zulässigkeit von Zulagen für Professoren blieben daher intern; erst seit die StZ darüber berichtete, prüft die Staatsanwaltschaft Ermittlungen.

Ministerin Bauer ruft nach dem Rechnungshof

Auf StZ-Anfrage ermunterte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) inzwischen den Landesrechnungshof, sich nun doch mit der Hochschule zu befassen. Dieser sei zwar „eine unabhängige Instanz“ und als solche zu respektieren. Man gehe aber davon aus, dass er sich dem „Sachverhalt“ in Ludwigsburg „von sich aus widmen wird“. „Ministerin Bauer würde eine solche Prüfung jedenfalls begrüßen“, so ein Sprecher. Zuvor hatte die Karlsruher Kontrollbehörde mitgeteilt, weder das Ministerium noch die Hochschule selbst seien bisher an sie herangetreten; man verfolge aber „die weitere Entwicklung“. Unbeantwortet ließ der Rechnungshof die Frage, ob es eine Einflussnahme auf sie mit dem Ziel gegeben habe, nicht in Ludwigsburg tätig zu werden; dafür gibt es gewisse Indizien.