Die Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin Maren Kroymann beherrscht es, freundlich, witzig und mit einem harmlosen Lächeln auch bittere Wahrheiten zu servieren. Unsere StZ-Autorin Adrienne Braun hat die 65-Jährige getroffen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Sitzen zwei im Büro. Fragt er sie, wann es ihr zum letzten Mal gekommen ist. „Meinen Sie jetzt anal, vaginal oder oral?“, fragt sie zurück. Er japst nur noch „Luder“, worauf sie antwortet: „Vielleicht könnten Sie mich wie in anderen Büros üblich wahlweise als hysterische Ziege oder als geile Nutte bezeichnen.“

 

Das sitzt. Als Maren Kroymann in den neunziger Jahren als eine der ersten Kabarettistinnen ins deutsche Fernsehen kam, waren einige schockiert. Dass Kabarett unter die Gürtellinie zielt, war auch damals schon üblich. Dass aber eine Frau so scharfzüngig sein kann, das war neu. Ihre Serie „Nachtschwester Kroymann“ wurde ein Erfolg, weil niemand erwartet hatte, dass Frauen so direkt sein können – oder wie Maren Kroymann sagt: „dass böser Humor, der wehtut, auch von uns kommen kann.“

Die traut sich was

Maren Kroymann kann wehtun. Deshalb hat sie es sich auch mit einigen Feministinnen verscherzt, weil sie auch über Frauen herzog. In einem ihrer Klassiker – quasi dem Gegenentwurf zu Loriots „Ich heiße Erwin Lindemann“ – spielte sie in einer Werbesatire ein Dummchen: „Also ich hätte doch nie im Leben gedacht, dass ich irgendwann noch mal meine Binde wechseln würde . . . Die ,Superplus‘ ist so gut, die nimmt jetzt sogar mein Freund.“

Auch in ihrem Programm „In my Sixties“, mit dem Maren Kroymann nächste Woche im Stuttgarter Renitenztheater gastiert, gibt es Passagen, bei denen man denkt: Die traut sich was. Etwa wenn sie erzählt, wie sie ihre arme Mutter in die Ecke drängte mit Diskussionen, ob und wann „sich eine Frau beim Verkehr ergießt“.

Kroymann ist keine verbiesterte Feministin

„Ich genieße es, wenn die Leute irritiert sind“, sagt Maren Kroymann, die eigentlich eine freundliche Person ist. In Doris Dörries TV-Serie „Klimawechsel“ hat sie die fiese Frauenärztin gespielt, die ihre Nebenbuhlerin mit einer Vagina-OP aus dem Verkehr zieht. Sie war die schlecht gelaunte Kriminaldirektorin in dem ZDF-Krimi „Flemming“. Aber sie selbst ist alles andere als eine verbiesterte Feministin, die Säbel rasselnd austeilt.

Maren Kroymann passt in kein Raster, ist Kabarettistin, aber auch Sängerin und Schauspielerin. Sie bezeichnet sich selbst gern als „Blondine“ und kultiviert ihren femininen, mitunter koketten Charme – um doch scharf dazwischenzugrätschen und beiläufig Spitzen abzuschießen. Deshalb wird sie gern zu Talkshows eingeladen als eine, die Optimismus verbreitet und unterhaltsam ist – aber klar Stellung bezieht, vor allem wenn es um Diskriminierung geht. Maren Kroymann sagt frei heraus, was sie „Scheiße“ findet – und lächelt dazu anmutig wie ein Mädchen.

Ein Abend mit herrlichen Liebesliedern

Die Strategie funktioniert – nämlich bittere Wahrheiten in hübscher Verpackung zu servieren. „In my Sixties“ ist ein Liederabend mit nostalgischen Hits – vor allem mit herrlichen Liebesliedern von Dusty Springfield. „Aber ich würde nie nur singen, sondern will auch etwas anderes transportieren“, sagt sie. In dem Programm feiert Maren Kroymann nicht nur „fünfzig Jahre Pubertät“, sondern erinnert auch an das fragwürdige Frauenbild der sechziger Jahre. Sie mokiert sich über Ingrid Peters’ Hit „Wenn ich mal Nein sag’, heißt das lang noch nicht Nein“ oder erzählt, wie selbstverständlich ihr Bruder Vergewaltigungswitze riss.

Vier ältere Brüder prägen fürs Leben. Sie sind der Grund, weshalb Maren Kroymann sich so gut anpassen, einpassen, funktionieren kann: „Ich bin von meiner Sozialisation her nett“, sagt sie – weil sie als Nesthäkchen und einziges Mädchen der Mutter nicht auch noch Scherereien machen wollte. „Ich habe mich immer bemüht, keinen Stress zu machen.“ Schüchtern war sie, „die mit der Brille“.

Emsige Akademiker-Tochter

Am Mittwoch ist Maren Kroymann im Landesmuseum Württemberg zu Gast in der Reihe „Württemberger Köpfe“. Schließlich ist sie in Tübingen aufgewachsen. Nach der Schule fuhr sie an die John- Cranko-Schule, wo sie nicht nur tanzen lernte: „Ich halte etwas aus, ich bin nicht zimperlich. Dafür war das gut.“ Vielleicht hätte sie mit ihrer Disziplin sogar Karriere als Tänzerin machen können, aber der Vater war Professor, die Mutter promovierte Philologin – und es war selbstverständlich, dass sie studiert. „Ich war ziemlich gut in der Schule, deshalb war klar, dass ich etwas mit meiner Birne mache“ – selbst wenn sie nebenher im Zimmertheater auftrat.

Sie zog nach Berlin, sang im Hanns-Eisler-Chor und brachte ihr erstes Musikprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ heraus – das Romanistik-Studium hat Maren Kroymann aber selbstverständlich abgeschlossen. Wenn sie heute erzählt, dass sie in Tübingen „die besten Professoren und Köpfe der Theologie gehört hat, Albert Schweitzer, Eberhard Jüngel“ – dann merkt man, dass sie im tiefsten Inneren noch die emsige Akademikertochter ist.

„Ich habe Lust, radikale Dinge zu tun“

„Ich hätte ein verhätscheltes jüngstes Häschen werden können“, sagt Maren Kroymann, aber letztlich hat sich „die Faszination für das Unseriöse“ durchgesetzt. „Ich habe Lust, radikale Dinge zu tun“, sagt sie – weshalb sie sich Anfang der neunziger Jahre auch outete. Nachdem sie mit den TV-Serien „O Gott, Herr Pfarrer“ und „Vera Wesskamp“ und schließlich ihrer eigenen Satiresendung „in einem Mainstream-Medium gelandet war“, sah sie das Outing als ihre Pflicht an, „damit die Gesellschaft liberaler wird“. Es hagelte Kritik. Man unterstellte ihr, dass sie sich doch nur wichtig machen wolle. Und die Engagements blieben erst einmal aus.

Seit ein paar Jahren bekommt Maren Kroymann mehr Aufträge denn je. Obwohl sie kürzlich 65 geworden ist, hat sie das Gefühl, erst jetzt „richtig durchzustarten“. Im Oktober läuft im ZDF ein Film mit ihr und Walter Sittler in den Hauptrollen – eines von vielen Projekten. Maren Kroymann wird aber sicher auch weiterhin ein beliebter Talkshow-Gast sein, denn sie ist eine der wenigen Prominenten im Land, die offen über ihre Homosexualität und über ihr Alter spricht – und dabei lächelnd vermittelt: Keine Sorge, das ist beides halb so wild.