Mit der Ernennung seines Schwiegersohnes Jared Kushner zu seinem engen Berater steht der neuen US-Präsident Donald Trump nicht alleine da. Nepotismus war zu allen Zeiten ein Grundprinzip der Politik.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - „Blood is thicker than water“ – „Blut ist dicker als Wasser“: Der Spruch stammt nicht von Donald Trump, sondern von dem deutschen Kaiser Wilhelm II.. Angesichts der Vorliebe des 45. US-Präsidenten für prägnante Sinnspruche, die nicht länger als ein Twitter-Tweed (140 Zeichen) sind, könnte diese Sentenz aber auch von dem New Yorker Immobilienmogul stammen.

 

„Blut ist dicker als Wasser“

Wilhelm II. (Regierungszeit 1888-1918) wollte damit zum Ausdruck bringen, dass für Deutsche und Engländer ihre Stammesverwandtschaft ihren Zusammenhalt bedinge. Und die könne auch durch die geografische Trennung durch Nordsee und Ärmelkanal nicht beeinträchtigt werden. Wie man aus der Geschichte weiß, war Wasser doch dicker als Blut, das im Ersten Weltkrieg von Hunderttausenden Engländern wie Deutschen gleichermaßen vergossen wurde.

Schlüsselrolle für Schwiegersohn Jared Kushner

Donald Trump legt großen Wert auf Loyalität. Noch wichtiger sind ihm Familienbande. Seinen Schwiegersohn Jared Kushner, wie er selbst Immobilienunternehmer und Ehemann von Tochter Ivanka, macht er zu einem seiner führenden Berater im Weißen Haus. Trump kündigte kürzlich an, der Schwiegersohn werde „eine Schlüsselrolle“ in seiner Regierung einnehmen.

Der 36-Jährige Milliardär soll sich unter anderem um die Handelsverträge und den Nahen Osten kümmern. Trump traut seinem Schwiegersohn sogar zu, Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu stiften, wie er gesagt hat. Kushner will sich wie seine Frau Ivanka aus seinem Unternehmen zurückziehen.

US-Gesetz gegen Nepotismus

Eigentlich ist es US-Präsidenten die Berufung von Verwandten auf Regierungsposten per Gesetz untersagt. Das Gesetz ist gedacht, um Vetternwirtschaft zu verhindern und war verabschiedet worden, nachdem Präsident John F. Kennedy Anfang der 1960er Jahre seinen Bruder Robert zum Justizminister ernannt hatte.

Trump-Berater argumentieren jedoch, dass das Gesetz nur für Kabinetts- und Behördenjobs gelte, nicht aber für persönliche Berater des Präsidenten. Hier habe der Präsident größeren Spielraum bei der Auswahl des Personals. Kushner hatte maßgeblich Trumps erfolgreichen Wahlkampf organisiert, er zählt zu den einflussreichsten Figuren in seinem Umfeld.

„Wer den Papst zum Vetter hat kann leicht Kardinal werden“

Um mit William Shakespeare (1564-1616) zu sprechen: „Wer den Papst zum Vetter hat kann leicht Kardinal werden.“ Was für geistliche Herrscher gilt, gilt für die weltlichen Mächtigen nicht minder, auch wenn Trump kein Papst und Kushner kein Kardinalnepot ist.

Papst Paul III., die Personifizierung des klerikalen Nepotismus, führte dieses Amt während seines Pontifikats 1534 bis 1549 offiziell ein. Enge Verwandte des amtierenden Papstes, meistens dessen Neffen, wurden in den Kardinalsrang erhoben, um dann als „rechte Hand“ des Papstes zu fungieren. Nepotismus – Neffen- und Vetternwirtschaft – hat in diesem Amt seinen Ursprung.

Offiziell schaffte Innozenz XII. dieses Amt 1692 wieder ab. Doch noch Pius XII. (1876-1958) war bekannt für seine nepotistischen Vorlieben. Seinen Neffen Giulio, Carlo und Marcantonio verschaffte er Fürstentitel und hohe Posten in der italienischen Politik und Finanzwelt.

Vetterli-, Spezl- und Vetterleswirtschaft

„Vorzügliche Begünstigung der Verwandten“

Vetterliwirtschaft ist, um es philosophisch auszudrücken, ein Apriori des „Humanum genus“ – ein soziales Fundamentalprinzip des Menschengeschlechts. Auf die liebe Verwandtschaft vertrauten alle Völker in der Menschheitsgeschichte: Griechen und Römer (das Wort ist abgeleitet vom lateinischen „nepōs“ – Enkel, Neffe, Nachkomme), Byzantiner und Sarazenen, Könige und Kaiser, Mafiosi und Kleptokraten. Im Französischen heißt es „Neveu“, in der altindischen Sprache „nápāt“, im altgriechischen „άνεψιός“/anephios).

Das Grimmsche Wörterbuch spricht von „Vettergunst“ und beruft sich dabei auf den Sprachforscher Joachim Heinrich Campe (1746-1818). Er definiert Vetternwirtschaft in seinem „Wörterbuch der Deutschen Sprache“ (1807-1812) als „die vorzügliche Begünstigung eines Vetters oder der Vettern, oder überhaupt der Verwandten, indem man ihnen Vorteile aller Art zuwendet, z. B. Ämter, Pfründen, Jahresgelder gibt oder verschafft.“

„Who is who“ der Trumpschen Klüngelei

In der nepotistischen Spezlwirtschaft werden Familienangehörige, Familienmitglieder und Verwandte bevorzugt, wenn es um günstige Vertragskonditionen, Ämterpatronage oder sonstige Einflussnahme geht. Nebenbei ist der Vetterleswirtschafter Trump auch ein großer Freund der Spezl- und Freunderlwirtschaft. Sein Kabinett liest sich wie ein „Who is who“ der Trumpschen Klüngelei.

Ambroce Bierce über Nepotismus

Donald Trump, der weder viel von Kritik an seiner Person im Besonderen noch von Satire im Allgemeinen hält, dürfte seinen Landsmann Ambroce Bierce (1842-1914) nicht sonderlich schätzen. Der Verfasser des „Devil’s Dictionary“ („Des Teufels Wörterbuch“) schreibt in diesem „Kleinen ABC für den fortgeschrittenen Zyniker) über „Nepotismus: Zum Besten der Partei der eigenen Großmutter ein Amt verschaffen.“

In diesem Fall ist die Großmutter der Schwiegersohn. Ob Kushners Ernennung zum Wohle der republikanischen Partei und der Amerikaner ist, sei dahingestellt. Jedenfalls reiht sich Donald Trump damit ein unter die großen Nepotisten der Weltgeschichte, von denen einige in unserer Bildergalerie zu sehen sind.