Dozenten dozieren. Aber sind erfolgreiche Leute "aus der Branche" auch automatisch gute Dozenten? Aus dem Leben einer Filmstudentin.

45a. FILMHOCHSCHULE   INNEN/TAG

 

Seit jeher (bzw. seit ich "Der Club der toten Dichter" gesehen habe) ist meine Sicht auf die Lehrer-/Schüler-Beziehung eine etwas verklärte. Nur leider hat mich während meiner Laufbahn am Gymnasium keiner der Lehrer dazu inspirieren können, geheime Clubs zu gründen, Seiten aus Büchern zu reißen oder auf Tische zu steigen. Ob das daran lag, dass die Fremdsprachen-Lehrerin mit der Lederhaut während des Unterrichts lieber ihren nächsten Südfrankreich-Urlaub plante oder daran, dass der Deutschlehrer immer nur die volle Punktzahl gab, wenn man auswendig aus der Lektürenhilfe zitierte - ich weiß es nicht. 

Umso mehr Inspiration erhoffte ich mir daher von meinem Studium an der Filmhochschule.

Wo, wenn nicht hier würden die Dozenten uns dazu ermutigen, die Poesie in uns selbst zu finden, oder uns mit ungewöhnlichen Methoden verdeutlichen wollen, wie wichtig ein Perspektivwechsel ist?

Ein Sprung zurück in das erste Semester:

45b. SEMINARRAUM  INNEN/TAG

Ich bin hochmotiviert und lausche gespannt den Worten des Dozenten, einem preisgekrönten und erfolgreichen Mann aus dem Business.

                    DOZENT

        ... Anwesenheit ist mir sehr wichtig. Ihr seid besser immer alle da, denn die Anwesenheit macht 50 Prozent eurer Note aus....

Dann schiebt er eine DVD in den Player und zeigt uns einen Zweieinhalb-Stunden-Film. Dann ist Mittagspause. Dann schiebt er eine weitere DVD in den Player und wir schauen noch einen Langfilm. Er nennt uns dann die genaue Filmlaufzeit in Minuten, in der etwas dramturgisch wichtiges im Film passiert ist und besteht darauf, dass wir uns die Zahlen notieren. Mit Sekunden.

Dann ist der Unterrichtstag vorbei. 

So geht es die nächsten drei Wochen. Preisgekrönt (Google sagt mir, dass das aber auch schon über zwei Jahrzehnte her ist) hin oder her. Anwesenheit hin oder her. Ich bin desillusioniert - und gehe nicht mehr hin.

Sprung zurück in die Gegenwart:

45c. FILMHOCHSCHULE   AUSSEN/TAG

Dem ersten Semester bin ich nun schon eine Weile entwachsen und habe glücklicherweise auch noch ein paar tolle Dozenten erleben dürfen. 

Und nun bittet mich eine Studentin aus dem unteren Jahrgang, ihr Buch zu lesen und mit ihr über ein paar Dramaturgie-Fragen zu quatschen. Ich strahle. Vielleicht kann ich ja nun tatsächlich etwas Wissen weiter geben und es besser machen als so manches schlechte Vorbild. 

Ich treffe mich also mit ihr und lege los. Ich habe mir hunderte Notizen gemacht, noch mal in Büchern nachgeschlagen, mir Filmbeispiele rausgesucht, mir Lösungsvorschläge ausgedacht. Ich mache meine Sache gut und rechne zumindestens damit, dass sie mir sehr dankbar sein wird. Ich rechne natürlich nicht damit, dass sie auf einen Tisch steigt und "Oh Captain, mein Captain" sagt. Obwohl...

Am Ende meiner Ausführungen steht die Studentin tatsächlich auf. Allerdings nicht auf einen Tisch. 

            STUDENTIN

     Alles klar. Dank dir. Ich glaube aber, dass wir da ein wenig unterschiedliche Sichtweisen haben... Trotzdem danke.

Dann ist sie weg. 

Verblüfft blicke ich ihr nach. 

Ja, okay. Ich habe es begriffen. Lehrersein ist nicht so einfach, wie man denkt. Da ist es dann egal wie preisgekrönt man ist oder wie oft man einen Film über außergewöhnliches Dozieren angeschaut hat.

Der Unterschied zwischen einem guten und einem nicht so guten Lehrer liegt wahrscheinlich am Ende darin, ob der Lehrer nur das Beste für seinen Schüler will, oder nur das Beste für den eigenen Südfrankreich-Urlaub. 

Ich hätte nichts gegen Urlaub.

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