Die größten Hindernisse sind die in den Köpfen, meint Stephanie Aeffner, die neue Behindertenbeauftragte für Baden-Württemberg

Stuttgart - Eigentlich wollte Stephanie Aeffner nie „Behindertenaktivistin“ werden. Sie engagierte sich als Schülersprecherin und für gute Studienbedingungen, nach dem Studium bei den Grünen. Doch immer wieder wurde sie gebeten, ob sie nicht doch auch . . .? Schließlich wisse sie als Betroffene ja am besten, was Menschen mit Behinderungen bräuchten. Wegen einer Muskelerkrankung ist die 40-Jährige seit ihrer Jugend auf einen Rollstuhl angewiesen.

 

Am Dienstag hat das Kabinett dem Vorschlag von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) zugestimmt, die Sozialpädagogin zur neuen Behindertenbeauftragten des Landes zu machen. Ihre Aufgabe ist, Politik und Verwaltung zu beraten und sich dafür starkzumachen, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen umgesetzt werden. Als ehrenamtliche Beauftragte gehört sie nicht der Regierung an, sondern ist unabhängig und nicht an Weisungen gebunden.

Nachhilfe für Stadtplanung

Dass da noch viel zu tun ist, weiß sie nicht nur durch ihre Arbeit beim Stuttgarter Zentrum für selbstbestimmtes Leben, sondern auch aus eigener Erfahrung. Wenn sie mit der Bahn von Eppelheim nach Stuttgart fährt, ist sie beim Einsteigen auf Unterstützung angewiesen. Wege, die Fußgänger in 20 Minuten zurücklegen würden, können für Rollstuhlfahrer zwei Stunden dauern, weil beispielsweise in U-Bahn-Stationen Aufzüge fehlen. Bei der Stadtplanung oder bei Neubauten sei es noch längst nicht selbstverständlich, Menschen mit Behinderungen einzubeziehen. Manchem Architekten passten ihre Vorstellungen einfach nicht, mitunter würden sie auch einfach vergessen. „Wir sind nicht behindert, wir werden behindert“, sagt Aeffner. Doch es gebe auch viele positive Beispiele, etwa das neue Hospitalviertel in Stuttgart. Dort seien Gehwege so abgesenkt worden, dass sie Rollstuhlfahrern und Blinden gerecht werden.

Beim Thema Inklusion hinke Deutschland manchen Ländern hinterher, stellt Aeffner fest. Bis die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die die Bundesrepublik vor zehn Jahren unterzeichnet hat, wirklich umgesetzt ist, werde es noch dauern. „Wahrscheinlich wird auch nie alles perfekt sein“, sagt sie. Ihr Ziel sei, den Alltag für Behinderte zu verbessern und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. „Mir geht es auch darum zu zeigen, was Menschen mit Behinderungen leisten können, und sie zu ermutigen, ebenfalls für ihre Interessen einzutreten.“ Ein Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit soll dazu beitragen.

Verband: Haupt- statt Ehrenamt nötig

Aeffner folgt auf Gerd Weimer, der in den vergangenen fünf Jahren die Aufgabe innehatte. In dieser Zeit habe sich vieles verbessert, sagte Minister Lucha. Mit dem neuen Gleichstellungsgesetz seien erstmals alle Kreise dazu verpflichtet worden, Behindertenbeauftragte zu bestellen. Durch eine Änderung des Schulgesetzes könnten Eltern von Kindern mit Handicaps erstmals selbst entscheiden, ob ihr Kind eine Sonderschule oder eine Regelschule besucht. Auch seien neue Wohnformen für Behinderte, etwa Wohngemeinschaften, möglich geworden. Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt die Entscheidung. Aeffner sei die richtige Person für diese Aufgabe.

Nicht nachvollziehbar sei aber, dass die Stelle erneut ehrenamtlich statt hauptamtlich besetzt werde. Vorstandsvorsitzende Ursel Wolfgramm: „Das Amt ist ein Vollzeitjob, erfordert vollstes Engagement und ist mit hohen Anforderungen verknüpft.“