Das Mühen eines Behindertentheaters um einen dauerhaften Zuschuss offenbart ein Grundproblem. Mit einer ehrenamtlichen Inklusionsbeauftragten ist es noch lange nicht getan.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Womöglich endet mit dem Jahr 2013 für Axel Clesle ein scheinbar endloser Fußweg. „Das Kulturamt schickt mich zum Jugendamt, das Jugendamt schickt mich zurück“, sagt er – bei dem Versuch, einen dauerhaften Zuschuss für seine Theatergruppe der Kulturinitiative Bohnenviertel zugesprochen zu bekommen. In der spielen behinderte und nichtbehinderte Jugendliche gemeinsam mit professionellen Musikern. Letztere verlangen für die Auftritte zwar kaum mehr als das Fahrtgeld, aber das verlangen sie.

 

Dafür wünscht sich Clesle einen Zuschuss der Stadt – gleiches gilt für den Bezirksbeirat Mitte. Nur: Schon die Frage, bei wem er dafür einen Antrag abgeben soll, kann Clesle auch nach zehn Jahren des Bemühens nicht recht beantworten.

Ehrenmünze für Engagement

Gelegentlich bekam er Geld, mal weniger, mal keines. Zumindest die SPD im Gemeinderat will dies ändern. Sie hat 15 000 Euro jährlich für Clesles bunte Truppe beantragt – unter der Rubrik Kulturförderung. Die Grünen wollen grundsätzlich die Inklusion fördern und werden das Ansinnen laut der Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle unterstützen. Damit fehlen für die Haushaltsberatungen zum Jahresende nur noch wenige Stimmen zur Mehrheit im Gemeinderat. Kämen sie zusammen, „wäre das super“, sagt Clesle, „dann könnte ich endlich einmal die Bürokratie vergessen“.

Das Kernproblem beschreibt er mit einer Anekdote von einer SPD-Veranstaltung zur Kulturpolitik, bei der die Bundestagsabgeordnete Ute Vogt und der Superminister Nils Schmid das Engagement der Genossen für den Kulturbetrieb priesen – also sich selbst. Clesle sprach nach der Veranstaltung mit Monika Wüst, der Kulturfachfrau der SPD im Gemeinderat. Sie hatte von seiner Gruppe nie gehört. Die tritt seit zehn Jahren auf – unter anderem im Theaterhaus –, veranstaltet jedes Jahr im Bohnenviertel ein kleines Festival und ist vielfach preisgekrönt. Die Stadt hat Clesle für sein Engagement mit ihrer Ehrenmünze ausgezeichnet.

„Beirat Inklusion“ besteht seit 2010

„Im Rathaus wird viel geredet über Inklusion, aber wenig getan“, sagt Clesle. Der Satz mag nicht ganz fair sein, ist aber auch nicht ganz falsch. Die Stadt hat mit einigem Brimborium vor einem Jahr die pensionierte Krankenschwester Ursula Marx zur Inklusionsbeauftragten erhoben. Allerdings ist die ehemalige Grünen-Stadträtin „eine Königin ohne Reich“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle. Ihr fehlen Etat und Personal, sie arbeitet ehrenamtlich. Schon ihre Sprechzeiten sagen einiges aus: jeden Mittwoch von 9 bis 12 Uhr.

2010 gründete die Stadt einen „Beirat Inklusion“. In ihm sitzen Betroffene, Angehörige, Verbandsvertreter und Mitarbeiter des Sozialamts. Der Beirat tagt zweimal jährlich, spricht über Sonderschulen, Mangel an Betreuungsplätzen oder Probleme, speziell qualifizierte Ärzte zu finden. Alles richtig und wichtig, meint Clesle, „aber an wen soll ich mich noch wenden?“. Sind Behinderte, die Kultur schaffen, ein Fall fürs Sozial- oder fürs Kulturamt, Behinderte, die Sport treiben, Klientel des Gesundheits- oder des Sportamts? „Es müsste doch eine zentrale Anlaufstelle geben“, sagt Clesle. Tatsächlich findet sich im Telefonverzeichnis des Kulturamts eine Beauftragte für Plakate und in dem des Sportamts eine Handynummer des Platzwarts im Gazi-Stadion, aber kein Ansprechpartner für die Angelegenheiten von Behinderten.

Der Grundgedanke der Wortschöpfung Inklusion ist, dass Behinderte nicht außerhalb der Gesellschaft stehen und integriert werden müssen. Sie sind Teil der Gesellschaft. Wenn man so will, inkludiert Clesle seine Theatergruppe jetzt eben selbst. Er hat mit den Intendanten mehrerer Bühnen gesprochen. Vor allem das Theater Rampe, sagt er, habe Interesse an seinem Plan: Seine bunte Truppe soll fester Bestandteil einer bestehenden Bühne werden.