Die Verzögerungen beim Bau der Spielstätte auf dem Pragsattel bringen das Varieté in die Bredouille. Die Existenz des Stuttgarter Theaters hängt einmal mehr am Tropf der Stadt. Die Chefs wählen deutliche Worte und reden über viel Geld.

Stuttgart - Vor dem Ortstermin mit Verantwortlichen von Stadtverwaltung, Kommunalpolitik und Handwerkern hat die Geschäftsführung des Friedrichsbau-Varietés den Druck erhöht. In einem Schreiben an die Kultursprecher der Ratsfraktionen schließt sie nun aus finanziellen Gründen nicht mehr aus, wegen der aufgrund behördeninterner Probleme verzögerten Fertigstellung der neuen Spielstätte auf dem Pragsattel und dem daraus resultierenden Einnahmeverlust den Spielbetrieb komplett einzustellen.

 

Dies wäre nach Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer dann der Fall, falls weder ein Interimsspielzelt aufgebaut, noch die Stadt eine Beschleunigung der Bauarbeiten finanzieren könnte. „Sollten beide Varianten nicht durchführbar sein, können wir den Spielbetrieb mit dem Wissen der finanziellen Unterdeckung im November und für das kommende Jahr nicht aufrecht erhalten“, heißt es in dem Schreiben.

Die Varieté-Spitze hat auch eine Summe genannt, die sie die Verzögerung der Premiere von Anfang November auf Anfang Dezember koste: „Ein Theaterbetrieb muss in der Wintersaison die Einnahmen fürs komplette Jahr generieren. Eine Eröffnung Mitte Dezember würde für uns einen Verlust an Einnahmen von mindestens 350 000 bis 400 000 Euro bedeuten.“

Unwohlsein bei manchen Stadträten

So mancher Stadtrat dürfte nicht wohl in der Vorstellung sein, ein bislang ausschließlich von privatem Sponsoring profitierendes Unterhaltungstheater nun auch noch mit einem solch hohen Betrag unterstützen zu müssen. Schon die Entscheidung vom vergangenen Jahr, das Varieté nach dem Rauswurf durch die L-Bank aus ihrer angestammten Spielstätte dadurch zu retten, dass sie einen Millionenkredit absichert und einen auf fünf Jahre angelegten Interimsbau mit direkter Unterstützung von fast 900 000 Euro gewährt, war höchst umstritten.

Der Kostenrahmen für die Hallenkonstruktion von 1,4 Millionen Euro erschien sehr knapp kalkuliert. Ausgaben für Unvorhergesehenes waren ebenso wenig einkalkuliert wie offenbar auch der finanzielle Aufwand für das Baugesuch. Die Künstler waren offenbar davon ausgegangen, dass die Stadt darauf verzichtet.

Andere Einrichtungen werden weniger gefördert

Die hohe Förderung ist umstritten, weil sich die kleineren Kultureinrichtungen in der Stadt mächtig nach der Decke strecken müssen. Zum Vergleich: Das Theaterhaus-Ensemble Gauthier Dance wird mit 300 000 Euro pro Jahr unterstützt, die Rosenau erhält 160 000 Euro und viele weitere müssen mit kleineren vier- und fünfstelligen Beträgen ihren Betrieb sichern.

Im konkreten Fall des einmaligen Betriebskostenzuschusses reklamiert das Varieté für sich, unverschuldet in die neuerliche Existenznot geraten zu sein. In bisher nicht gekannter Deutlichkeit werden Mitarbeiter des Liegenschaftsamts für den behördlichen Schwergang verantwortlich gemacht.

Obwohl bereits im März die Voraussetzungen geschaffen hätten werden können, um den Bauplatz vorzubereiten, sei bis Mitte Mai „noch nicht vorbereitet“ worden. Mehrfach habe man in der Behörde an verschiedenen Stellen telefonisch mahnen müssen, um im Juni einen Ortstermin und später ein Gespräch mit Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) zu erhalten.

Föll rät zur Gelassenheit

Föll sagte am Freitag, er habe seine Mitarbeiter zu diesem Fall bisher noch nicht befragen können. Vor einer möglichen Unterstützung des Varietés müsse bewertet werden, was eine vierwöchige Verspätung für die Finanzplanung des Hauses bedeute. Er rät trotz der Verspätung zu mehr Gelassenheit: Das „Varieté wird fertig gebaut und auch bespielt.“