Die meisten Minijobs werden von Frauen erledigt, dabei ist der Kreis Göppingen in der Region Spitze. Bei dem geringen Verdienst droht später Altersarmut.

Region: Corinna Meinke (com)

Kreis Göppingen – Frauen werden als billige Arbeitskräfte von Teilen der heimischen Wirtschaft regelrecht ausgenutzt“, sagt Martin Gross. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi im Bezirk Neckar Fils Alb prangert an, dass sich die Zahl von Frauen im Billiglohnsektor seit zehn Jahren fast verdoppelt hat. Im Kreis Göppingen sind 15 425 Frauen und 8455 Männer geringfügig beschäftigt. Bei den Frauen ist es mit 64,6 Prozent der höchste Anteil an nichtsozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen in der Region Stuttgart.

 

Nur ein Drittel der erwerbstätigen Frauen hat eine volle Stelle

Dass immer noch viel mehr Frauen als Männer zum Minijob greifen, liegt am Rollenverständnis der Geschlechter. Wenn Frauen eine Familie gründen, überlassen sie die Funktion des Ernährers in der Mehrzahl dem Partner. Im Kreis Göppingen arbeitet nur rund ein Drittel aller erwerbstätigen Frauen in einer Vollzeitstelle.

Der Minijob, der relativ leicht zu haben ist und den die Frauen meistens als vorübergehende Lösung mit willkommenem Zuverdienst während der Familienphase antreten, entpuppe sich in vielen Fällen als Sackgasse, erklärt Marion Janousch. Nach der Erfahrung der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Göppingen würden die Hoffnungen auf den Minijob als berufliches Sprungbrett meist enttäuscht, und die Frauen blieben dort länger hängen als gedacht. Konkrete Zahlen dazu erhebt die Agentur allerdings nicht.

Nach fünf Jahren jobben, geht die Qualifikation verloren

Weil die Frauen in einem Minijob oft unter ihrer Qualifikation arbeiteten, schade ein solches Arbeitsverhältnis den beruflichen Chancen der Frauen, hat Marion Janousch festgestellt. Arbeiteten sie dort länger als fünf Jahre, gingen Qualifikationen verloren. Von Nachteil sei dies beispielsweise in bei Frauen beliebten kaufmännischen Berufen, wo Innovationen teilweise kaum noch aufzuholen seien. Mit so genannten Spätstarterinitiativen versucht die Agentur die Frauen und Männer in der Altersklasse bis 35 Jahre nachzuqualifizieren. Kein ganz leichtes Unterfangen, weil es bei diesen Ausbildungen und Umschulungen noch viel zu wenig Teilzeitangebote gebe, nach denen vor allem Frauen verlangten, sagte Janousch.

In zehn Jahren hat sich die Zahl der Minijobs fast verdoppelt

Die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen und Minijobs steigt. Das Pestelinstitut Hannover hat Zahlen vorgelegt, wonach sich ihr Anteil in den vergangenen zehn Jahren zum Teil mehr als verdoppelt hat. So wuchs die Zahl der Minijobs im Kreis Göppingen in diesem Zeitraum um 83 Prozent. Den stärksten Zuwachs in der Region erlebte der Kreis Esslingen mit einem Plus von 108 Prozent.

Für die Gewerkschaften ist damit bewiesen, dass Minijobber immer häufiger die Arbeit von Vollzeitkräften übernehmen. Ein typisches Beispiel seien die Bäckereifachverkäuferinnen, sagt Karin Brugger von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten, NGG. In diesem Beruf fänden sich kaum noch Vollzeitstellen. Viele große Arbeitgeber würden nur noch Stellen mit maximal 30 Wochenstunden einrichten. Auch Martin Gross von Verdi sieht den Handel in der Verantwortung, vor allem die verlängerten Öffnungszeiten hätten in dem Sektor die Zahl der Minijobs steigen lassen.

Rente nach Teilzeit meist unter dem Existenzminimum

Karin Brugger warnt in diesem Zusammenhang auch vor Altersarmut bei Frauen. Nach einer zehnjährigen Teilzeittätigkeit hätten Frauen nur noch eine Rente zu erwarten, die deutlich unter dem Existenzminimum liege. Die Deutsche Rentenversicherung Stuttgart bestätigt, dass sich Minijobs kaum rentensteigernd auswirken, auch wenn seit dem 1. Januar Pflichtbeiträge geleistet werden müssen. So erwirbt eine Minijobberin mit einem Verdienst von 450 Euro im Monat pro Arbeitsjahr einen Rentenbetrag von lediglich 4,46 Euro.

Neuerdings ist es immerhin möglich, als Minijobberin an einer Rehamaßnahme der gesetzlichen Rentenversicherung teilzunehmen. Außerdem erwerben Minijobber seit der Gesetzesänderung im Januar Anrechte auf eine Erwerbsminderungsrente und können von der staatlichen Riesterförderung profitieren.