Der Schönbuch macht es jedem recht: Die Menschen finden dort Erholung, die Tiere Rückzugsräume und die Besitzer genügend Holz. Zum Saisonstart als Waldgebiet des Jahres macht Förster Winfried Seitz eine beispielhafte Tour.

Herrenberg - Beinahe wäre das Holzhaus verfallen, mittlerweile haben sich die Wanderer dort eingerichtet. Hans-Jürgen und Nadine zum Beispiel, Christa und Helmut oder die Landfrauen. „Endlich Saisonstart, und Gott sei Dank tröpfelt es, sodass wir Schutz brauchen“, haben Ide, Martin und ihre Freunde kürzlich erklärt. Die Gruppe machte Rast in der Hirschwirtshütte bei Herrenberg – obwohl es nichts gibt außer einem Tisch, vier Stühlen, einem Gästebuch und viel Atmosphäre. Einen blauen Anstrich und ein neues Dach verpasste Winfried Seitz dem Häuschen vor ein paar Jahren. Als der Förster kurz darauf die unverschlossene Holztüre öffnete, standen Möbel drin, und ein Hirschgeweih hing an der Wand. „Das ist der Schönbuch“, sagt er.

 

„Es ist so schön an diesem Ort“

Wie ein Wohnzimmer für die Bevölkerung aus dem Ballungsraum drumherum wirkt der Wald an dieser Stelle. „Einfach herrlich“ finden es Hans-Jürgen und Nadine, die immer wieder im Gästebuch der Hütte auftauchen. „Es ist so schön an diesem Ort“, vermerkte ein anderer Wanderer. Eine Kolumbianerin schrieb verzückt: „Ich bewundere dieses Land.“ An einem schönen Tag kommen rund 100 000 Besucher in den Schönbuch. Mit dem Beginn der Wanderzeit und dem Programm anlässlich der Auszeichnung zum „Waldgebiet des Jahres 2014“ werden es wohl ein paar mehr. Trotzdem scheint jeder sein Plätzchen zu finden. Laut Winfried Seitz kann man im Schönbuch 18 Kilometer am Stück gehen, ohne eine öffentliche Straße überqueren zu müssen. „Das gibt es nicht einmal im Schwarzwald“, sagt der Förster.

Dass das Gebiet solche feudalen Ausmaße hat, ist den Herrschern von Württemberg zu verdanken. Die Adligen nutzten als erste den Wald zum Freizeitvergnügen. Als Johann Wolfgang von Goethe 1797 die Schweizer Straße entlang fuhr, beschrieb er noch eine unspektakuläre Landschaft: „Einzelne Eichbäume stehen hie und da auf der Trift“, steht in seinem Reisetagebuch. Das Gebiet war Weideland, bis es für die bessere Gesellschaft geschützt wurde. „Dabei ist es im Prinzip bis heute geblieben“, sagt Winfried Seitz. Gestört wurde die Idylle nur einmal durch die Landesregierung um Hans Filbinger, die ein Fünftel des Schönbuchs für einen Großflughafen absägen lassen wollte.

Der Dreiklang des Waldes

Nach heftigem Protest wurden die 16 000 Hektar stattdessen 1972 zum ersten Naturpark Baden-Württembergs. Einen Dreiklang sollen die Förster in dem Wald herstellen – aus Erholung für die Menschen, Schutz für die Natur und wirtschaftlicher Nutzung. Winfried Seitz setzt seine Tour von der Hirschwirtshütte zum nahe gelegenen Goldrainweiher fort. Das Gewässer ist ein Beispiel für das tierische Paradies Schönbuch: Erdkröten, Grass- und Teichfrösche leben da, Blesshühner und Zwergtaucher. „Wir erwarten sehnsüchtig den Schwarzstorch“, sagt er, viele Arten seien bereits zurückgekehrt. Sogar den seltenen Gänsegeier hat er im März über den Wipfeln gesichtet. Ein neuer Wildtierkorridor zwischen Schwarzwald und Schönbuch soll den Weg für die Wildkatze frei machen. Auch mit dem Wolf rechnet der Förster früher oder später.

Das Kapital des Schönbuchs, der überwiegend in staatlichem und kommunalem Besitz ist, liegt nicht weit entfernt am Rosshau: Eichenstämme, die mehrere tausend Euro wert sind. 1000 Festmeter Holz werden jährlich in dem Wald geschlagen, fünf Prozent davon Eiche. „Man holt weniger heraus als nachwächst“, versichert Winfried Seitz, der oft besorgt gefragt wird, ob nicht zu viel Holz geerntet werde. Dafür ist die Begrüßung durch eine zufällig vorbeikommende Gruppe aus Herrenberg am Wanderparkplatz Mönchberg äußerst freudig. „Machen Sie den Wald noch schöner“, ruft ihm einer der Wanderer zu. Und ein anderer kommt dem Förster mit der Antwort zuvor: „Den kann man gar nicht schöner machen.“

Viel Programm im Waldgebiet des Jahres 2014

Mitmachen Doppelt so viele Veranstaltungen wie sonst locken in diesem Jahr Besucher in den Schönbuch: bis Dezember mehr als 100 Programmpunkte. Diese Woche geht es „Durch Steinbruch und Tann mit Lu und Jan“: Am Samstag, 26. April, werden Kinder in die erdgeschichtliche Vergangenheit der Region geführt (Anmeldung unter 0 70 32/95 72 00). Es gibt wohl für jeden ein Angebot – zum Beispiel Flüge über den Schönbuch oder Vogelkunde am Boden, Radtouren oder Zeichenkurse. Zum Finale zeigt der Reit- und Fahrverein Pliezhausen ein Weihnachtsmusical, und die evangelische Kirche feiert eine Waldweihnacht.

Zuschauen
Ein Höhepunkt des Programms ist das Theater. „Herrschaftszeiten!“ heißt das Stück des Tübinger Generationentheaters Zeitsprung, das im Kloster Bebenhausen Geschichten aus dem Schönbuch aufleben lässt. In der Freiluftaufführung geht es um Wilderei, Waldgerechtigkeit, Jagdfeste und das Klosterleben. Die Premiere ist am Freitag, 23. Mai, um 20 Uhr. 14 Aufführungen werden bis September gezeigt. Karten dafür sind an den üblichen Verkaufsstellen erhältlich und unter www.landestheater-tuebingen.de.

Wandern Für Schönbuch-Neulinge bietet der neu gestaltete Panoramarundweg ab Herrenberg einen guten Einstieg. Er ist 11,6 Kilometer lang und gilt als mittelschwer. Die Wanderung hat S-Bahn-Anschluss. Zur Tour gibt es ein aufwendig gestaltetes Faltblatt, das an Wanderparkplätzen in der Nähe ausliegt und unter www.schoenbuch-heckengaeu zu haben ist.

Einkaufen
Am 18. und 19. Oktober präsentieren sich beim Kloster- und Naturparkmarkt alle 18 Naturparkstädte. Dabei stellen die Veranstalter vor allem die regionalen Besonderheiten vor: Apfelessig und edle Destillate, Ziegenkäse und handgearbeitete Wollprodukte, Holzschnitzereien oder Spezialitäten vom Schönbuchwild, verschiedene Wurstwaren aus der Klostermetzgerei, Weine und Kunsthandwerk.

Informieren
Einen Überblick über alle Aktivitäten, die im Schönbuch möglich sind, liefert der brandneue Internetauftritt des Naturparks. Unter www.naturpark-schoenbuch.de findet man eine interaktive Karte, Tourenvorschläge und vieles mehr.