Das Beratungsnetzwerk Leuchtlinie hat einem 21-jährigen Stuttgarter geholfen, der wegen seiner dunklen Hautfarbe von einem Mann mit Gaspistole bedroht wurde.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Jeff ist ein durchtrainierter 21 Jahre alter Mann, fröhlich, selbstbewusst, Vater einer sieben Monate alten Tochter. Er hat ein Abitur in der Tasche, macht zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr und hat klare Zukunftspläne. Und dann sagt er Sätze, die nicht zu diesem Bild passen: „Ich kann wieder aus dem Haus, tagsüber auch alleine. Am Wochenende konnte ich sogar aufs Lichterfest gehen.“ Berater des Netzwerks Leuchtlinie für Betroffene rechter Gewalt haben ihm geholfen.

 

Dunkelhäutiger Deutscher mit Gaspistole bedroht

Am Abend des 12. Juni ist das geschehen, was Jeff aus der Bahn geworfen hat – und weswegen er Hilfe brauchte. Er war das Opfer einer Attacke, die bundesweit für Aufsehen sorgte. Der 21-Jährige, der dunkle Haut hat, ging am späten Sonntagabend vom Katharinenhospital, wo sein Töchterchen behandelt wurde, zum Hauptbahnhof. In der Lautenschlagerstraße richtete ein Mann aus einem Auto eine Schreckschusswaffe auf ihn, schrie „Lauf, Schwarzer“, und drückte mehrfach ab. Jeff rannte um sein Leben, erzählt er. „Ich hab ja nicht wissen können, ob das eine echte Pistole ist oder nur Platzpatronen.“ Zuhause ist er zusammengebrochen. Seine Mutter musste ihn überreden, damit er überhaupt zur Polizei ging. „Die Polizisten waren richtig nett und verständnisvoll – sie haben mir sehr behutsam erklärt, dass es eine fremdenfeindliche Tat sein könnte“, berichtet der junge Mann. Der Gedanke sei ihm zunächst fremd gewesen: Warum sollte ihn jemand aufgrund seiner Hautfarbe angreifen? „Ich bin Deutscher, ich liebe mein Land, bei der Fußball-EM renne ich auch mit Deutschlandfahne rum“, sagt er.

Das Opfer lobt die Berater und ihren freundschaftlichen Umgang

Der junge Mann bekam am nächsten Morgen die Telefonnummer des Netzwerks Leuchtlinie. „Erst dachte ich, ich brauche das nicht. Am Abend aber war ich am Ende. Ich sah Blitze und in meinem Kopf hat es nur noch geknallt“, berichtet er. Er wählte die Nummer und bekam Rat und Hilfe. „Es wurde nichts beschönigt und nichts dramatisiert. Insgesamt hatten wir einen sehr freundschaftlichen Kontakt“, fasst Jeff zusammen, wie ihm die Berater halfen.Das Wichtigste für ihn sei, dass er gelernt habe, das Geschehen zurückzudrängen, aber gleichzeitig zu wissen, dass immer jemand für ihn da ist, wenn er über den Angriff nach dem EM-Vorrundenspiel in der Innenstadt reden will. Aber zunächst ist die Geschichte für ihn abgeschlossen. Der mutmaßliche Täter ist gefasst, der Fall wird bei der Polizei noch bearbeitet.

Menschen wie Jeff haben mit dem Netzwerk Lichtlinie seit Beginn des Jahres eine Anlaufstelle. Unter anderem sei man durch die Aufarbeitung der NSU-Morde darauf gekommen, ein solches Beratungsangebot einzurichten, sagt Gökay Sofuoglu. Er ist der Landesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, zusammen mit dem Büro- und Aktionsnetzwerk der Vielfalt Träger des Netzwerkes. „Es wurde sehr viel über die Täter geredet, aber wenig über die Opfer“, fügt Sofuoglu hinzu. Das sollte sich mit der Gründung des Netzwerks ändern. Den Kontakt zu Opfern stellen beispielsweise andere Beratungsstellen her, auch die Polizei sei an der Zusammenarbeit sehr interessiert. Im Fall einer Familie aus Weil am Rhein, die von Rechtsradikalen bedroht wird, weil der Vater Schwarzafrikaner ist (wir berichteten), gab eine Journalistin den Tipp. Das Netzwerk ist dabei, landesweit Ansprechpartner und Berater auszubilden, die Menschen in ähnlichen Lagen helfen sollen.