Die Mitglieder der Vineyard-Bewegung in der evangelischen Kirche haben die Berger Kirche für sich entdeckt – und mit der Kleiderkirche den Raum belebt. Jetzt macht die Kleiderkirche zwar erst einmal Pause, die Treffen in der Kirche, für die ein Käufer gesucht wird, gehen aber weiter.

S-Ost - Die Kleiderkirche in der Berger Kirche macht Pause. Der Grund dafür ist aber nicht etwa mangelndes Interesse an der Kleidertauschbörse, die jeden Donnerstagnachmittag im Vorraum der Kirche aufgebaut wurde, im Gegenteil. Zu jedem der Treffen kamen regelmäßig 30 bis 40 Menschen – und brachten weitere Kleider mit. „Wir sind jeden Donnerstag gewachsen, auch was die Klamotten angeht“, sagt Carolin Gaiser, eine der Initiatorinnen der Kleiderkirche. Deswegen hat die Helfergruppe in den Sommerferien beschlossen, sich eine Verschnaufpause zu gönnen und erst einmal richtig auszumisten. Die Treffen in der Berger Kirche jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr gibt es aber weiter – nur ohne Kleiderangebot. Hinter diesem Angebot steht eine Gruppe von Menschen, die zu der Erneuerungsbewegung Vineyard innerhalb der evangelischen Kirche gehören.

 

Vineyard (ausgesprochen: winjard) entstand 1978 in Kalifornien. Ziel der Bewegung ist, „neue Formen der Gemeinschaft zu entdecken“, wie Carolin Gaiser es beschreibt. Die Vineyard-Mitglieder engagieren sich weltweit für die Neugründung von Gemeinden oder die Erneuerung von bestehenden Kirchengemeinden. Vineyard-Gruppen sehen sich als Ergänzung zur Kirche. Vineyard-Gemeinschaften gibt es sowohl freikirchlich als auch innerhalb der evangelischen und der katholischen Kirche.

Das Foyer ist nutzbar, weil der Turm gesperrt ist

Carolin Gaiser ist ausgebildete Jugendreferentin und Diakonin der evangelischen Landeskirche in Württemberg und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Frage, wie Kirche im 21. Jahrhundert funktionieren kann. Dabei entdeckte sie Vineyard für sich und schloss sich der Bewegung an. Die Stuttgarter Gruppe ist seit etwa eineinhalb Jahren im Stadtteil Berg aktiv und hat die von der Gesamtkirchengemeinde im Grunde aufgegebene Berger Kirche – für sie wird ein Käufer gesucht – für sich entdeckt. „Wir haben hier einen Raum vorgefunden, in dem wir experimentieren können“, sagt Gaiser. Das große Problem der Kirche, der bröckelnde Kirchturm, eröffnete der Gruppe tatsächlich erst den Freiraum. „Das Foyer ist ja nur so nutzbar, weil der Turm gesperrt ist“, so Gaiser. „Wir haben schnell eine Kaffeemaschine mitgebracht, alte Biertischgarnituren aus den früheren Festzeiten der Berger Gemeinde entdeckt und aufgestellt.“

Bei ersten, lockeren Treffen mit Kaffee und Kuchen hatten Carolin Gaiser und eine andere Frau aus der Gemeinschaft die Idee für die Kleiderkirche. Gaiser: „Es ging um die Frage, was die Menschen hier in Berg brauchen. Und dann kamen die Kleiderständer einfach dazu.“

Einige haben sich umgemeinden lassen

Innerhalb von einem Jahr entwickelte sich die Kleiderkirche zu einer festen Anlaufstelle für Menschen aus dem Stadtbezirk und darüber hinaus. Am Anfang engagierten sich sechs Helferinnen und Helfer, zuletzt waren es schon 15. Menschen aus dem nahen Paulusstift kamen ebenso dazu wie Einwohner von Berg, die bisher nur wenig mit der Kirchengemeinde zu tun hatten. Die Kleiderberge wurden immer größer, der regelmäßige Transport von Saisonware nach Rumänien sorgte nur kurzfristig für Entlastung.

Die jetzt beschlossene Pause der Kleiderkirche ändert aber nichts am Engagement der Gruppe für die Berger Kirche. Von den dort aktiven Anhängern der Vineyard-Bewegung wohnt niemand im Stadtteil, aber einige haben sich umgemeinden lassen und gehören jetzt zur Berger Kirchengemeinde. Gaiser: „Das war ein Signal von uns an die Berger.“ Es gebe eine große Verbundenheit zu der Kirche. „Wir als Gemeinschaft glauben, dass diese Kirche Zukunft hat“, sagt die Diakonin. Bisher fehlten aber noch ein inhaltliches Konzept und Geld. Das nächste Ziel der Gemeinschaft ist, zusammen mit der evangelischen Heilandskirchengemeinde ein Konzept zu erarbeiten und dieses dann der Gesamtkirche vorzulegen.