Im Wettbewerbsprogramm gab es am ersten Wochenende harte Schnitte, und so hat es das Drama „L’Avenir“ (Die Zukunft) der französischen Filmemacherin Mia Hansen-Løve nach Rosis Realo-Schocker nicht leicht. „Ich dachte, Du liebst mich für immer und ewig“, sagt Nathalie, als ihr Mann sie nach 25 Jahren für eine andere verlässt. Es ist der Moment, in dem die Philosophie-Lehrerin (Isabelle Huppert) herauskatapultiert wird aus ihrer Welt, die so heil und sicher schien, dass sie es sich zum Beruf machen konnte, alle Gewissheiten in Frage zu stellen. Hansen-Løve porträtiert eine Frau, die ihre persönliche Vertreibung aus dem Paradies erlebt, während das Leben einfach so weitergeht. Nathalie verliert den Mann, die Mutter kommt ins Heim, ihr Verlag stellt ihre Essay-Reihe ein – zu gestrig. Immerzu ist Huppert von da an unterwegs, die Kamera folgt ihr, wie sie mit soldatisch beherrschter Miene im Stechschritt, versucht, ihre Normalität gegen die Umstände am Laufen zu halten. Zur Ruhe zu kommen würde bedeuten, den Schmerz des Verlustes zu fühlen. „Oh, ein Paradies“, sagt Nathalie, als sie ihren Doktoranden auf dessen Aussteigerhof besucht und es keine zwei Nächte aushält. Es ist nicht ihres.

 

Mit poetischer Sprache und ergreifenden Schwarz-Weiß-Bildern taucht der Portugiese Ivo M. Ferreira seine Zuschauer in „Cartas da guerra“ in ein Sehnsuchtsvollbad. Die Basis bilden die authentischen Liebesbriefe, die der junge Militärarzt António Lobo Antunes aus dem Kolonialkrieg in Angola 1971 an seine junge Frau in Lissabon schickt. Worte ungeheurer Zärtlichkeit und Sehnsucht begleiten Bilder, die mal grandiose Landschaften zeigen, mal das Alltagsleben aus dem Blickwinkel der Kolonialherren. Nach und nach fluten immer schlimmere Szenen von Krieg und der Sinnlosigkeit des Konflikts die Leinwand. Und das Imaginieren, Sehnen und Schwelgen wird zu einem überlebenswichtigen Gegengift in einer grausamen Welt.