Wann der erste Flieger am neuen Flughafen abhebt, weiß niemand – aber Asylsuchende können bereits eingesperrt werden

Berlin - Die Zwischenwelt ist ein weiß verputzter Flachbau, und ihr taubenblauer Kunststoffboden knarzt unter Gummisohlen. Draußen im Garten wächst das erste Unkraut im Sandkasten. Vom Sand bis zum Zaun sind es acht Schritte, mit kurzen Kinderbeinen entsprechend mehr. Das Gesetz, so sagt Stephan Bock, schließe eben nicht aus, dass hier auch Kinder leben müssen.

 

Hinter Bock streckt der Flughafentower seinen Radar in den Himmel, es riecht ein bisschen nach Kerosin. Hier in Schönefeld, südlich von Berlin, wird, wenn alles gutgeht, tatsächlich irgendwann mal ein Flugzeug abheben. Wann der Großflughafen fertig wird, weiß bekanntlich niemand so genau. Aber der erste Neubau der Reisemaschine, der ist seit heute fertig.

Das Bundesgesetz, genauer Paragraf 18 a des Asylverfahrensgesetzes, ist der Grund dafür, dass Stephan Bock an diesem Morgen auf der struppigen Wiese vor dem Sandkasten steht. Bock ist der Leiter dieses neuen Hauses, das nach seiner Auffassung nicht Gefängnis heißen darf, sondern viel lieber „Aufnahmeeinrichtung“. Aufgenommen werden hier Menschen, die eben gerade nicht aufgenommen werden sollen: Wer aus seiner Heimat flüchtet und irgendwo in einem sicheren Drittstaat in ein Flugzeug nach Berlin steigt oder ohne Pass reist, der landet nicht in der großen Stadt, sondern hinter diesem Zaun im Nirgendwo. Es gibt Mehrbettzimmer mit eingeschweißten Matratzen, eine Küche, es gibt eine Spielesammlung mit Halma, Mühle und Dame, und es gibt eine Hausordnung, die den Aufenthalt im Freien bis 21 Uhr erlaubt. Wobei das Freie dieses Stück Wiese ist.

Formaljuristisch eine Transitbereich

Vor allem aber ist es nicht Deutschland, es ist genau genommen gar nichts. Oder wie Uwe Hanschmann vom Bundesamt für Flüchtlinge und Migration formuliert: „Sie müssen formaljuristisch denken. Dies hier ist ein Transitbereich.“ Inhaftiert ist hier nach seiner Definition niemand. Nur einreisen dürfen die Leute nicht.

Das Flughafenasylverfahren wird an fünf Airports in Deutschland angewendet – wer woanders landet, kann nicht davon betroffen sein. Nicht nur deshalb ist das Schnellverfahren umstritten. Kirchenvertreter, Juristen und Flüchtlingshilfsorganisationen kritisieren die Prozedur als rechtlich fragwürdig und unmenschlich. Das Verfahren stammt von 1993, einer Zeit, in der 400 000 Menschen im Jahr Asyl suchten. Ohne richterlichen Beschluss werden Menschen festgehalten, binnen zwei Tagen entscheidet das Bundesamt über den Asylantrag. Der deutsche Anwaltverein spricht von einer erheblichen Drucksituation und fehlendem Rechtsschutz.

Das Adlon wäre billiger

Im vergangenen Jahr gab es noch 819 Menschen, für die eine Akte in diesem Verfahren angelegt wurde – nur ein Bruchteil von ihnen landete überhaupt noch in einem Flughafenknast. Im alten Gefängnis in Berlin waren es zwölf. Trotzdem gibt es den Neubau. Man sei gezwungen, das Gefängnis einzurichten, sagt Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke, SPD. Sonst könne dem Flughafen sogar die Betriebserlaubnis verweigert werden. Wenn er sie dann mal braucht. Woidkes Gesicht sieht nicht aus wie das eines Hausherrn bei einer Einweihungsfeier. Die rot-rote Landesregierung will das Flughafenasylverfahren abschaffen und eine Initiative im Bundesrat starten. Bis jetzt ist nur Rheinland-Pfalz mit von der Partie, aber Woidke berichtet von Gesprächen mit anderen Ländern. „Jeder Mensch hat Anspruch auf ein ordentliches Verfahren“, sagt der Minister. Was er ebenfalls sagt: „Das Ganze hier ist fiskalpolitisch nicht sinnvoll.“ 144 000 Euro zahlt Brandenburg im Jahr an Miete für die Zwischenwelt. Das Adlon wäre billiger, heißt es im Ministerium.