Sechs Jahre nach dem Tod von Eisbär Knut sollen zwei Riesenpandas die neue Attraktion des Berliner Zoos werden. „Träumchen“ ist ein aktives Mädchen, aber „Schätzchen“ pennt meistens. Wie soll es da zu kleinen Pandas kommen? Mit „Kuschelzaun“ und „Panda-Pornos“?

Chengdu - Sie sind ein Pärchen - aber sie sind sich fremd. Erst im Berliner Zoo werden sich die beiden Riesenpandas überhaupt kennen und hoffentlich dann auch „lieben“ lernen. Das Weibchen Mengmeng (Träumchen) und das Männchen Jiao Qing (Schätzchen) leben in der Quarantäne im Zuchtzentrum in Chengdu vor dem Umzug am 24. Juni nach Berlin in getrennten Gehegen. Beide haben sich noch nie gesehen. Auch in Berlin wird jeder sein Reich haben. „Pandas sind Einzelgänger“, erklärt Pfleger Yin Hong, der beide aufgezogen hat. „Pandas können nicht zusammen sein, weil sie sonst miteinander kämpfen würden.“

 

Nur wenn Pandas jung sind oder in der kurzen Paarungszeit von knapp zwei Wochen im Frühjahr können Pandas zusammenleben. Damit in dieser „heißen Phase“ auch alles klappt, wird vorher schon ein „Date“ für „Träumchen“ und „Schätzchen“ arrangiert: Nur durch einen „Kuschelzaun“ getrennt sollen sie sich näher kommen und aneinander gewöhnen. Die Zeit ist immer knapp. Panda-Weibchen sind nur drei bis vier Tage im Jahr fruchtbar, signalisieren das mit Duftmarken.

Pandas sollen Publikumsmagnet werden

„Da ist natürlich gewisser Druck dahinter“, räumt der Berliner Tierpfleger Christian Toll ein. Der 34-Jährige bereitet sich in Chengdu auf seine verantwortungsvolle Aufgabe vor. „Wir wünschen uns auch Nachwuchs, aber müssen halt gucken, wie die Tiere miteinander agieren. Und dann werden wir sicherlich einen Weg finden, damit das harmonisch über die Bühne geht“, gibt sich Toll zuversichtlich.

Sechs Jahre nach dem Tod von Eisbär Knut hofft der Berliner Zoo darauf, dass beide Pandas und irgendwann hoffentlich ihr Nachwuchs die neuen Publikumsmagneten werden. Kein anderer deutscher Zoo hat Pandas. In China ist es eine „„Staatsaffäre“, wie es heißt. Nervosität ist spürbar. Nichts darf schiefgehen. Denn Präsident Xi Jinping will bei seinem Deutschlandbesuch wohl am 5. Juli mit Kanzlerin Angela Merkel die schwarz-weißen Bären im Berliner Zoo besuchen. „Es wird das wichtigste Foto vom Besuch werden“, sagen informierte Kreise.

Pandas sind eine Leihgabe – und bleiben chinesisches Eigentum

Von „Panda-Diplomatie“ ist die Rede, wenn China mit seinem Nationalschatz seine Softpower weltweit auszuweiten versucht. In der Wildnis und in Zoos gibt es nur mehr als 2000 - immerhin schon mehr als früher. Der Schutz und die Zucht der niedlichen Bären hat die Populationen wieder steigen lassen. Das kuschelig aussehende Wappentier des globalen Natur- und Tierschutzes gilt heute nur noch als „gefährdet“, nicht mehr „vom Aussterben bedroht“.

Um Pandas können nur befreundete Staats- und Regierungschefs bitten. Sie kosten nicht nur politisches Kapital, sondern auch satte Leihgebühren von einer Million US-Dollar im Jahr. „Nicht verhandelbar“, wie es heißt. Der Großteil davon fließt in den Artenschutz und die Panda-Forschung, der Rest sind Verwaltungskosten. Die Pandas sind immer nur Leihgaben, bleiben Eigentum Chinas – selbst der Nachwuchs. Die Kooperation mit dem Berliner Zoo, dessen letzter Riesenpanda Bao Bao 2012 gestorben war, läuft über 15 Jahre.

In Berlin ist alles neu für die Tiere

„Träumchen“ kommt mit Tierpfleger Toll schon bestens aus, lässt sich sogar streicheln. „Ein junges, hübsches Pandamädchen“, berichtet Toll nach der Visite in der Quarantäne-Station. In diesem Jahr wird sie erst vier Jahre alt, ist deswegen noch sehr aktiv. „Sie ist sehr nervös, läuft viel, guckt viel, ist sehr interessiert“. „Schätzchen“ wiederum „ist eher der ruhige junge Mann, der viel liegt, es ruhiger angehen lässt und sich überhaupt nicht beeindrucken lässt“. Er ist sieben Jahre alt - und mit zunehmenden Alter soll sich das Verhalten von Männchen und Weibchen genau umkehren.

In Berlin müssen sich die Pandas an neues Klima, neue Gerüche und neuen Bambus gewöhnen. Die 50 bis 60 Kilogramm, die ein Panda so am Tag verputzt, werden aus den Niederlanden geliefert. Im Wechsel essen und schlafen Pandas. Tag und Nacht. Das deutsche Wetter passt ihnen gut, weil sie es eher kühler und feucht mögen. Auch die Sprache ist neu. Bisher kennen die beiden nur heftigen Sichuan-Dialekt, sollen in Berlin aber nicht Deutsch, sondern Englisch lernen, weil es in der Hauptstadt „international“ zugeht, wie es heißt.

Der Tierpfleger backt Panda-Brot

Damit sie nicht auf ihr geliebtes „Panda-Brot“ verzichten müssen, hat Pfleger Toll in Chengdu als erstes einen „Back-Kurs“ absolviert: Die Spezialität besteht aus verschiedenen Mehlsorten, Haferflocken und Erdnussöl. Hinzugefügt werden wichtige Zusatzstoffe, „die etwas mehr Energie liefern als der Bambus“. Auch hat Toll mit „medizinischem Training“ angefangen, um die Pandas in Positionen zu bringen, in denen Untersuchungen mit Ultraschall möglich sind - oder sie dahin zu bringen, freiwillig das Maul zu öffnen, um die Zähne zu untersuchen.

„Die größte Herausforderung wird sein, immer ruhig zu bleiben, weil Pandas relativ empfindlich auf Stress und Lautstärke reagieren“, sagt Toll. Wenn Jiao Qing einfach nur schläft, muss er allerdings „etwas energischer“ werden. „Aber dann gibt es zur Belohnung auch ein Stück Apfel oder ein Stück Panda-Brot“, sagt Toll. „Wenn sie dann ihr Leckerli kriegen und auch wissen, dass sie es beim nächsten Mal wieder bekommen, stehen sie irgendwann auch relativ freiwillig auf.“ Eine Vorliebe lässt Jiao Qing aber von selbst aktiv werden: Er badet gerne. Jetzt im Sommerwetter von Chengdu sogar täglich.

Im Notfall: Panda-Pornos

Neun Millionen Euro haben sich die Berliner die beiden Panda-Gehege kosten lassen, in denen die Eigenbrötler also meist ihre eigenen Wege gehen werden. Nach einer Inspektion vor Ort ist der Zuchtexperte Yuan Bo voll des Lobes: „Sehr professionell.“ Er hoffe darauf, dass die Pandas „auf natürliche Weise Paarungszeichen zeigen“, wenn sie in Deutschland sind, sagt der Wissenschaftler. „Im Frühjahr, wenn das Wetter schön wird und die Blumen sprießen.“

Wenn es nicht klappt, hat Yuan Bo einen Geheimtipp für die Berliner: „Panda-Pornos“, also Videos, auf denen sich andere Pandas paaren - zur Nachahmung empfohlen. „Ja, sie schauen sich das an“, beteuert der Experte auf skeptische Blicke. In der Wildnis schauten Pandas bei ihren Artgenossen zu, aber in den Zoos gehe das kaum. „So setzen wir Filme ein, damit Pandas das Verhalten erlernen“, berichtet der Fachmann. „Wenn sie es mögen, schauen sie länger hin. Wenn nur kurz, dann denken sie vielleicht: Ich weiß eigentlich schon wie es geht.“