Bernd Lucke will alleiniger Parteichef sein – und droht deshalb vorsorglich mit Rückzug. Führungsmitglieder unterstützen seinen Ruf nach einer schlanken Aufstellung. Widerspruch kommt aus den erstarkten ostdeutschen Landesverbänden.

Berlin - In der eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) geht es wieder einmal hoch her. In kaum einer anderen Partei wird derart erbittert über Satzungs- und Organisationsfragen gestritten. Der Parteitag im Frühjahr lieferte dafür reichlich Anschauungsunterricht. Der faktische AfD-Vorsitzende Bernd Lucke, der laut Parteienstatut aber „nur“ einer von drei Sprechern ist, macht seinem Ärger jetzt Luft. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ lässt der Europaabgeordnete wissen, dass er über einen Rückzug aus der Parteiführung nachdenkt. Lucke verbindet seine unverhohlene Drohung mit der Forderung, dass es künftig einen starken Vorsitzenden und einen Generalsekretär geben soll. Es soll schlankere Strukturen geben. Der starke Vorsitzende soll natürlich Lucke heißen.

 

Dass Lucke zum wiederholten Mal mit Rückzug droht, ist Ausdruck der Spannungen in der Führungsriege. Es ist möglich, dass dem Hanseaten schlicht der Kragen platzte. Denn Meinungsauseinandersetzungen werden zunehmend über die Medien ausgetragen. Erst am Wochenende hatte die AfD-Sprecherin Frauke Petry aus Sachsen gesagt: „Die AfD darf keine One-Man-Show sein.“ Das zielte auf Lucke. Petry ist neben Lucke und dem Publizisten Konrad Adam Bundessprecherin – und will es auch bleiben. Sie leitet aus dem zweistelligen Wahlergebnis bei der Landtagswahl in Sachsen ihren Führungsanspruch im Bundesverband ab. Es geht aber um weitaus mehr als einen Machtkampf.

Der Streit liefert einen Vorgeschmack auf den Parteitag

Lucke dürfte seine Ansage als Weckruf an die Partei verstanden haben, sich über die künftige Aufstellung der AfD klar zu werden. Er bekommt viel Unterstützung aus dem Bundesvorstand. „In der Gründungsphase sind wir mit drei Vorstandssprechern gut gefahren“, sagt der baden-württembergische AfD-Landeschef und Europaparlamentarier Bernd Kölmel. „In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass Bernd Lucke in der Öffentlichkeit als Gesicht der AfD wahrgenommen wird“, so Kölmel. Er wünscht sich deshalb Lucke als einzigen Bundessprecher. Auch der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel springt Lucke bei. „Ich kenne keine Partei, die sich drei Sprecher leistet“, sagt Henkel. Der ehemalige Manager klagt über Kakophonie in der AfD. Lucke sei vor allem damit beschäftigt, Äußerungen einzelner Führungsmitglieder einzufangen. Henkel ist deshalb für hierarchische Strukturen. Nur so könne die Partei, die im Europaparlament und in drei Landtagen vertreten ist, gesteuert werden. „Das ist wie in einem Orchester, das einen guten Dirigenten braucht“, sagt Henkel.

Der jüngste Streit dürfte einen Vorgeschmack auf den nächsten Parteitag Ende Januar liefern. Dann soll eine neue Satzung beschlossen werden. Im März steht dann eine neue Führung zur Wahl. Schon bisher scheuten sich die AfD-Mitglieder nicht, Luckes Pläne zu durchkreuzen. Beim letzten Parteitag blitzte der bekannteste AfD-Vertreter mit seiner eilig entworfenen Satzungsreform ab. Der Punkt wurde vertagt.

Die ostdeutschen Landesverbände sind besonders stark

Hinter dem Streit um die Spitzenposition verbirgt sich auch ein Richtungskampf. Bei den Wahlsiegen in Ostdeutschland punktete die AfD mit Themen wie Zuwanderung und Kriminalität. „Die ostdeutschen AfD-Vorsitzenden können vor Kraft kaum laufen“, sagt einer aus der Führung. Vor allem vom brandenburgischen AfD-Chef Alexander Gauland kommen immer wieder Querschüsse. Lucke und seine Mitstreiter sind der Meinung, dass sich die Themen in Ostdeutschland nicht für die Landtagswahlkämpfe im Westen eignen. In der Führungsriege warnen deshalb viele vor zu viel Populismus. .

Auslöser der Debatten sind immer wieder auch persönliche Anfeindungen. „Es gibt auch für Führungsleute Belastungsgrenzen“, sagt der Badener Kölmel. „Wir befassen uns in der Parteispitze leider immer noch zu 90 Prozent mit organisatorischen Fragen.“ Ziel der neuen Ausrichtung der Partei solle es sein, mehr Zeit für die politische Auseinandersetzung zu haben. Auf dem Parteitag wird sich zeigen, ob die Mitglieder dabei mitmachen.