Nina Grosses Verfilmung des Schlink-Romans „Das Wochenende“ ist ein sehenswertes RAF-Drama mit Starbesetzung: Sebastian Koch spielt einen aus der Haft entlassenen Terroristen.

Stuttgart - Es gibt Filme, die lohnen sich schon allein wegen der Besetzung. Katja Riemann, Sebastian Koch, Tobias Moretti, Barbara Auer, Sylvester Groth, dazu in wichtigen Nebenrollen Robert Gwisdek und die junge Elisa Schlott, die zuletzt in zwei Reihenkrimis („Marie Brand und der schöne Schein“, „Borowski und der Himmel über Kiel“) so fabelhaft war: Das kann gar nicht schiefgehen. Kein Wunder, dass sich Nina Grosse (Buch und Regie) bei ihrer Adaption des gleichnamigen Romans von Bernhard Schlink ganz auf ihr herausragendes Ensemble konzentriert hat. Der Film „Das Wochenende“ besteht zudem größtenteils aus Dialogen. Dank der Einheit von Zeit und Raum – die Handlung trägt sich dem Titel gemäß größtenteils an einem Wochenende in einem Landhaus zu – würde die Geschichte auch als Bühnenstück funktionieren.

 

Geschickt lässt Grosse zunächst offen, worauf die Sache hinausläuft. „Jens kommt raus“, heißt es zu Beginn. Wer dieser Jens ist und warum er im Gefängnis war, erschließt sich erst später. Anfangs, bei der Entlassung, sieht man ihn zudem nur von hinten. Die Besetzung dieses Ex-Häftlings mit Sebastian Koch ist ebenfalls clever: Jens könnte Sympathieträger, aber auch Schurke sein. Doch die Welt hat sich weitergedreht, sie lässt sich nicht mehr ohne weiteres in Schwarz und Weiß aufteilen, wie ihm seine frühere Freundin Inga (Katja Riemann) erklärt.

Vermutlich hat das auch vor knapp zwanzig Jahren, bevor Jens ins Gefängnis kam, nur mit entsprechenden Scheuklappen geklappt: Jens ist, wenn man so will, RAF-Veteran. Seine Schwester (Barbara Auer) arrangiert anlässlich seiner Entlassung eine Art Familientreffen, das nur schiefgehen kann: Inga, Mutter des gemeinsamen Sohnes, ist mittlerweile verheiratet (ihren Mann spielt Tobias Moretti); und der einstige Kampfgefährte Henner (Sylvester Groth) hat sich von den Kumpanen losgesagt, als die ihre Gewalt nicht länger nur gegen Sachen, sondern auch gegen Menschen richteten. Seine Erfahrungen hat er in einem Buch verarbeitet, das Jens für verlogen hält, und Ingas Mann ist in seinen Augen reaktionär. Die schwarzweiße Sichtweise funktioniert also immer noch: Aus der Sicht des einstigen Terroristen, der nach wie vor an die Notwendigkeit einer Revolution glaubt und daher unverändert rigoros, radikal und kompromisslos ist, haben sich die einstigen Weggefährten in Lebenslügen eingenistet.

Sebastian Koch ist der perfekte Revolutionär

Der Film ist naturgemäß nicht so komplex ist wie das Buch. Grosse hat beim Personal gekürzt, die Handlung ins Korsett einer, wie sie sagt, „politischen Familienaufstellung“ gezwängt und die Konflikte entsprechend zugespitzt. Gerade dies aber macht „Das Wochenende“ interessant, denn während die Erwachsenen ihre Beziehungen alsbald in die absehbaren Sackgassen manövrieren, zumal Inga unvermittelt ihren aktuellen Lebensentwurf in Frage stellt, bereichert die Anwesenheit der später hinzukommenden Kinder die Handlung um den Aspekt Generationenkonflikt: Für Ingas Tochter (Schlott) ist Jens eine Art Popstar, den sie in pausbäckiger Unbefangenheit mit Fragen löchert, während ihn sein Sohn (Robert Gwisdek) dafür hasst, ohne Vater groß geworden zu sein. Und dann ist da noch eine offene Frage, die Jens während der Zeit im Gefängnis nie losgelassen hat: Irgendjemand aus seinem engsten Umfeld hat ihn damals verpfiffen. Auch wenn Grosse den Verrat etwas in den Hintergrund rückt: Die Vermutung, dass sich der Verräter unter den Wochenendgästen befindet, sorgt für ein weiteres Spannungselement.

Trotzdem sind es die Schauspieler, welche die Qualität des Films ausmachen. Koch ist die perfekte Besetzung als Revolutionär, der sich weigert, das angepasste Spiel mitzumachen. Gleiches gilt für Katja Riemann, aus der Grosse mit dunklen Haaren und dezenter Maske eine Frau gemacht hat, die anfangs fast verhärmt wirkt und durch die Begegnung mit Jens wieder aufblüht. Eine nicht unwesentliche Ungereimtheit enthält Grosses Adaption allerdings doch: Bei ihr sind die Figuren deutlich jünger als im Roman. Das passt zwar zu dem Ansatz, Menschen um die Fünfzig in ihrer Lebenskrise zu beobachten, aber da sich die Handlung trotzdem in der Gegenwart zuträgt, fehlen der Geschichte zehn Jahre; plausiblerweise hätte Jens’ Haft nicht knapp zwanzig, sondern dreißig Jahre dauern müssen.

ZDF, 16. August, 22.45