Seltener Fund: In vorgeschichtlichem Harz ist die dramatische Flucht eines Insekts dokumentiert. Es entkam in letzter Sekunde der Konservierung als Bernstein-Fossil.

Stuttgart - Im Bernstein sind immer wieder Tiere und Pflanzen auf Dauer eingebettet worden. So wurde in den fossilen Harztropfen das Leben dokumentiert, wie es sich vor rund 50 Millionen Jahren abgespielt hat. Manchmal sind in den goldgelben Fossilien auch wahre Dramen konserviert – so wie in einem Bernsteinstück aus dem Ostseegebiet, das George Poinar jetzt beschrieben und im Fachblatt „Fungal Biology“ publiziert hat. Der Bernstein-Experte arbeitet als Forscher am Wissenschaftskolleg der Oregon State University in den USA.

 

„Nach dem, was wir bei diesem Fossil sehen können, wurde ein winziger Pilz am Fuße eines Baumes vermutlich von einem Nagetier abgebissen“, beschreibt er die Szenerie. „Ein Insekt, das einer Stabschrecke ähnlich sieht, hatte wohl auch versucht, sich von dem Pilz zu ernähren. Es scheint so, als ob es sofort aus seiner Haut gefahren und entkommen ist, gerade als der Harztropfen über das verbliebene Exoskelett geflossen ist – und das fliehende Nagetier hat ein Haar hinterlassen.“ Tatsächlich häuten sich diese Insekten – dazu zählen Stab- und Gespenstschrecken sowie Wandelnde Blätter – im Laufe ihres Lebens mehrfach.

„In diesem Fall hat diesem Insekt seine Fähigkeit, schnell aus der Haut schlüpfen zu können, das Leben gerettet – auch weil es pfiffig genug war, das drohende Problem zu erkennen“, ergänzt Poinar laut einer Mitteilung der Universität – und liefert eine schlüssige Begründung für seine These: Das in dem Bernstein konservierte Exoskelett sei extrem frisch und enthalte dünne Fäden, die verschwunden wären, wenn das Tier die Hülle deutlich vor der Einbettung in das Harz verlassen hätte. Heute allerdings sind sowohl die Stabschrecke als auch der Pilz ausgestorben. Der Pilz ist übrigens laut Poinar der erste, der im baltischen Bernstein identifiziert wurde.