Eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung sieht das duale Ausbildungssystem unter Druck. Vor allem in den neuen Bundesländern ist die Bereitschaft der Betriebe, Lehrlinge auszubilden, drastisch eingebrochen.

Stuttgart - Die Bertelsmann-Stiftung hat im „Ländermonitor berufliche Bildung“ erstmals die Ausbildungssysteme der Bundesländer untereinander verglichen. Forscher der Universität Göttingen und des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt haben die Systeme untersucht und dabei Unterschiede zwischen neuen und alten Bundesländern, aber auch zwischen Norden und Süden zu Tage gefördert. Die wichtigsten Erkenntnisse:

 

Immer weniger Plätze und Bewerber

Rein rechnerisch haben sich die Chancen der Bewerber auf einen Ausbildungsplatz in den vergangenen Jahren erhöht. Während die Zahl der Bewerber bundesweit zwischen 2007 und 2013 von 756.000 auf 613.000 um 19 Prozent zurückgegangen ist, sank die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze im gleichen Zeitraum „nur“ um 13 Prozent: von 644.000 auf 563.000. Obwohl es 2013 immer noch mehr Bewerber als Stellen gab, sind über 30.000 Lehrstellen unbesetzt geblieben.

Die meisten Azubis fehlen nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung in den Reinigungsberufen, im Gastgewerbe und im Lebensmittelhandwerk. Als Reaktion auf die Bewerberrückgänge der vergangenen zehn Jahre fordert Jörg Dräger, Vorstand bei der Bertelsmann-Stiftung, bessere Berufsorientierung in den Schulen, intensivere Betreuung der Betriebe und Azubis sowie eine Flexibilisierung der Ausbildungsgänge. Er spricht sich außerdem für eine staatliche Ausbildungsgarantie aus: „Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist das Minimum, mit dem junge Menschen das Bildungssystem verlassen sollten.“

Starkes Ost-West-Gefälle

In Ostdeutschland hat die duale Ausbildung in den letzten Jahren besonders an Bedeutung verloren. So hat sich die Zahl der Interessenten an einer betrieblichen Ausbildung seit 2007 nahezu halbiert (minus 47 Prozent). Der Einbruch hängt der Studie zufolge auch mit dem demografisch bedingten Rückgang der Schülerzahlen zusammen. Parallel dazu schrumpfte das Angebot an Ausbildungsstellen um 40 Prozent. Vor allem die Klein- und Kleinstbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigten, die in den neuen Ländern 98 Prozent der Betriebe ausmachen, reduzierten ihr Engagement in der Ausbildung. In den alten Bundesländern fiel der Rückgang sowohl bei den Bewerbern seit 2007 (minus 13 Prozent) als auch bei der Zahl der Ausbildungsplätze (minus sieben Prozent) geringer aus.

Hauptschüler und Migranten benachteiligt

Nur jeder zweite Hauptschüler (51 Prozent) geht nach dem Schulabschluss direkt in eine Ausbildung. Das ist nur eine geringfügig höhere Quote als vor zehn Jahren (48 Prozent). Im Bundesvergleich ergibt sich dabei ein Nord-Süd-Gefälle: Während in Bayern 71 Prozent der Hauptschüler direkt eine Ausbildung beginnen, sind es in Schleswig-Holstein nur 37 Prozent. Die geringsten Chancen bei der Lehrstellensuche haben der Studie zufolge Hauptschüler ohne deutschen Pass: Nur 37 Prozent von ihnen finden direkt eine Lehrstelle, deutlich weniger als deutsche Hauptschüler (54 Prozent).

Gerade um diese Bewerber müsse man sich kümmern, lautet die Kernforderung der Bertelsmann-Stiftung: „Der Trend zur Akademisierung in Deutschland ist unumkehrbar. Um die rückläufigen Bewerberzahlen auszugleichen, muss sich unser Ausbildungssystem verstärkt Jugendlichen mit schwächeren Schulabschlüssen und Migrationshintergrund sowie Flüchtlingen öffnen“, verlangt Dräger. Unabhängig vom Schulabschluss die besten Chancen haben ausländische Bewerber in Mecklenburg-Vorpommern, wo 89 Prozent von ihnen direkt eine Ausbildung beginnen, während es in Bremen nur 41 Prozent sind.

Probleme in Baden-Württemberg

Im Bundesvergleich fällt der Rückgang der dualen Ausbildung im Südwesten unterdurchschnittlich aus: Die Zahl der Bewerber ist seit 2007 von 95 000 auf 83 000 gesunken (minus 13 Prozent), die Zahl der Stellen von 83 500 auf 79 000 (minus fünf Prozent). Allerdings haben es Hauptschüler in Baden-Württemberg etwas schwerer als im Bundesschnitt, eine Lehrstelle zu finden: Nur 43 Prozent von ihnen beginnen nach der Schule direkt eine Ausbildung. Sogar deutlich schwerer haben es Jugendliche ohne deutschen Pass: Nur 48 Prozent von ihnen gelingt der direkte Einstieg, bundesweit sind es immerhin 66 Prozent.