Im Schnitt kommen 87 Bewerber auf 100 freie Lehrstellen. Damit liegt Baden-Württemberg in der Spitzengruppe der Bundesländer. In Nordrhein-Westfalen und Berlin übersteigt die Bewerberzahl die der angebotenen Ausbildungsplätze allerdings deutlich.

Stuttgart - Auf den ersten Blick erscheint der deutsche Ausbildungsmarkt vollkommen ausgeglichen. Nach jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) stehen 512 000 angebotene Lehrstellen nahezu exakt der gleichen Anzahl an Bewerbern gegenüber. Rein rechnerisch müsste demnach jeder junge Mensch, der eine Berufsausbildung beginnen möchte, auch eine passende Lehrstelle finden. Die Realität sieht jedoch anders aus.

 

Die Ausbildungsrepublik ist zweigeteilt. Allerdings ist dabei weder ein Nord-Süd- noch ein klares Ost-West-Gefälle erkennbar: In acht von 16 Bundesländern gibt es mindestens so viele freie Lehrstellen wie Bewerber, zum Teil sogar noch deutlich mehr. Spitzenreiter ist der Freistaat Bayern, wo knapp 100 000 freie Lehrstellen lediglich 77 000 Bewerbern gegenüberstehen , ein Verhältnis von 77 zu 100.

In Nordrhein-Westfalen fehlen mehr als 25 000 Lehrstellen

Zu den übrigen Ländern, bei denen Bewerber auf ein Überangebot an Lehrstellen treffen, gehört neben Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland, Hamburg, Brandenburg und Sachsen-Anhalt auch Baden-Württemberg. Bis zum 31. Juli hatten sich 63 000 junge Menschen bei den Arbeitsagenturen im Südwesten gemeldet, wo zum gleichen Zeitpunkt 74 000 freie Ausbildungsplätze von Betrieben aus dem Land registriert waren. Damit kamen statistisch 87 Bewerber auf 100 freie Stellen – Platz fünf für Baden-Württemberg.

Schlusslicht aus Sicht der ausbildungswilligen Menschen ist Berlin. In der Bundeshauptstadt konkurrieren durchschnittlich 133 Bewerber um 100 freie Lehrstellen. Zwar ist das Verhältnis mit 127 zu 100 in Nordrhein-Westfalen etwas besser als in Berlin. Doch die absoluten Zahlen im einwohnerstärksten Bundesland legen einen deutlichen Engpass offen: 127 500 Bewerber stehen an Rhein und Ruhr 102 000 gemeldeten Ausbildungsstellen gegenüber.

Es gibt neumal mehr Bewerber als Lehrstellen für Tierpfleger

Es gibt nicht nur diese regionale Unausgewogenheit, die den potenziellen Azubis mehr Flexibilität und Mobilität abverlangt. Auch die Vorstellungen der Bewerber sind in Teilen nicht mit dem Lehrstellenangebot in Einklang zu bringen. Unter den 330 verschiedenen Ausbildungsberufen tut sich das deutlichste Missverhältnis beim Beruf des Tierpflegers auf: Für die 295 bundesweit gemeldeten Ausbildungsplätze interessieren sich sage und schreibe 2650 Bewerber. Statistisch kamen also 898 Bewerber auf 100 freie Stellen. Damit ist die dreijährige Lehre zum Tierpfleger relativ betrachtet der beliebteste Ausbildungsberuf – und das trotz Schichtarbeit und überschaubaren Verdienstmöglichkeiten.

Solche Rahmenbedingungen sind es auch, die immer wieder als Begründungen für den schlechten Ruf einer Lehre im Einzelhandel angeführt werden. Die erneut niedrigen Bewerberzahlen bestätigen diesen Trend: Für insgesamt 15 000 angebotene Ausbildungsplätze zum Lebensmittelverkäufer interessieren sich demnach lediglich 2400 junge Männer und Frauen (16 zu 100). Ähnlich gering ist die Nachfrage im Bereich Gastronomie, wo 3700 Bewerber die Wahl zwischen 14 000 Lehrstellen haben, sowie im Handel, wo 9000 Bewerber 21 600 Stellen gegenüberstehen. Viele davon dürften zum Ausbildungsstart am 1. September unbesetzt bleiben.