Fachkräften aus dem Ausland soll das Verfahren für Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse erleichtert werden. Es besteht hoher Beratungsbedarf.

Stuttgart - Viele Unternehmen, egal ob Industriebetriebe, Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen, suchen dringend Fachkräfte - und das auch aus dem Ausland. Bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen gibt es viele Hürden. Seit dem 1. April 2012 haben sich aber die Chancen durch ein neues Bundesgesetz für die Berufe, die bundesrechtlich geregelt werden, deutlich verbessert. Ein neues Gesetz des Landes Baden-Württemberg steht zwar noch aus, ein Gesetzesentwurf soll aber in der ersten Hälfte des Jahres vorliegen. 'Mit dem neuen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz können mehr Menschen mit ausländischen beruflichen Qualifikationen in Deutschland ihrem erlernten Beruf nachgehen', sagt Maryam Shariat, Anerkennungsberaterin beim Interkulturellen Bildungszentrum Mannheim. 'Sie haben das Recht, dass ihre im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse einer Gleichwertigkeitsprüfung mit deutschen Abschlüssen unterzogen werden.'

 

Wird eine Gleichwertigkeit von staatlicher Seite festgestellt, gibt das ausländischen Berufstätigen die Möglichkeit, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten oder sich in ihm selbstständig zu machen. Die bisherigen Regelungsvorschriften hätten eine solche Möglichkeit in erster Linie für Spätaussiedler oder EU-Bürger vorgesehen. Jetzt hätten auch Migranten aus sogenannten Drittstaaten, zum Beispiel aus der Türkei, einen Anspruch auf das Verfahren zur Anerkennung. Das neue Gesetz hat die Verfahren und Kriterien für bundesrechtlich geregelte Berufe wie Ärzte, Juristen, Pflegekräfte, Handwerker oder kaufmännische Angestellte vereinheitlicht und erweitert. 'Auch das ist neu', betont Shariat. 'Früher wurde nämlich mit zweierlei Maß gemessen.' Heute haben sogar Menschen, die sich noch im Ausland befinden, ein Recht auf dieses Verfahren. Auch das war früher nicht möglich. 'Bewertet werden jetzt nur noch der Inhalt und die Dauer der Berufsausbildung, nicht aber die Staatsangehörigkeit oder die Herkunft.' Auch auf Landesebene wird sich die Gesetzgebung ändern. Zurzeit arbeitet das Integrationsministerium Baden-Württembergs federführend an einem neuen Landesanerkennungsgesetz.

Der Informationsbedarf ist enorm

Regelungsbedarf bestehe im Land unter anderem für die Berufe der Architekten, Ingenieure, Lehrer, Erzieher, Landesbeamten sowie bei mehreren Gesundheitsberufen, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Ein vom Integrationsministerium erarbeiteter Entwurf werde voraussichtlich in der ersten Hälfte des neuen Jahres vorliegen. Dieser Entwurf soll dann auch entsprechende Änderungen der Fachgesetze und -verordnungen enthalten, unter anderem für den Beruf des Lehrers. Der Informationsbedarf über die Anerkennungsmöglichkeiten ausländischer Abschlüsse ist enorm: So zählten seit ihrer Eröffnung 2011 die beiden Erstanlaufstellen in Baden-Württemberg - das Interkulturelle Bildungszentrum Mannheim und die Arbeiterwohlfahrt (Awo) Stuttgart - mehr als 3000 Beratungen. 'Zurzeit beraten wir allein in Stuttgart monatlich 100 Personen', berichtet Anne Seth, Anerkennungsberaterin bei der Awo Stuttgart. 'Das Thema ist in der Regel sehr komplex, deshalb sind auch die Beratungen zeitintensiv. Mit fünf Minuten ist es nicht getan', so Seth. Denn je nach Beruf und je nachdem, wann und wo der Berufsabschluss erworben wurde, unterscheidet sich die Anerkennungspraxis. Manchmal hängen also die Chancen auf Ausübung eines Berufes auch vom Alter des Berufsabschlusses ab: 'Wenn eine rumänische Krankenschwester vor zehn Jahren ihr Examen gemacht hat, wird sie rechtlich anders behandelt, als wenn ihr Abschluss erst drei Jahre her ist.'

Hinzu kommt, dass für die bundesrechtlich geregelten Berufe wie zum Beispiel Krankenpfleger und Elektriker bereits das neue Gesetz gilt, für die länderrechtlich geregelten Berufe wie etwa Erzieher und Lehrer die Anpassung des Landesgesetzes jedoch noch aussteht. Deshalb empfiehlt Seth jedem, der seinen Berufsabschluss anerkennen lassen will, sich an eine der Erstberatungsstellen oder die Migrationsdienste in Baden-Württemberg zu wenden, um sich dort über seine Chancen beraten zu lassen. 'Wir erklären den Ratsuchenden die Rechtslage und zeigen ihnen mögliche Optionen für die Anerkennung ihres Berufes.'