Früher sind Jungen auch beschnitten worden, weil es hygienischer ist. Dieses Argument spielt heute kaum noch eine Rolle. Operiert wird vielmehr, wenn die Vorhaut verengt ist. Bei den meisten Jungen erledigt sich das Problem bis zum Schulalter jedoch von selbst.

Stuttgart - Die Diskussion um das kürzlich erfolgte Urteil des Kölner Landgerichts, wonach die rituelle Beschneidung von Kindern strafbar ist, reißt nicht ab. Und die Mediziner ziehen Konsequenzen: Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer, rät seinen Kollegen, religiös begründete Beschneidungen von Jungen derzeit nicht mehr vorzunehmen. Allerdings sieht er auch Gefahren für die betroffenen Kinder, weil nun vermutlich der Eingriff verstärkt von Laien vorgenommen werde – mit entsprechend erhöhten Risiken durch fachliche und hygienische Unzulänglichkeiten.

 

Medizinisch gesehen ist eine Beschneidung ein operativer Eingriff, bei dem die Vorhaut des Penis teilweise oder ganz entfernt wird. Dies kann aus medizinischen Gründen erforderlich sein, wenn ein Junge an einer Vorhautverengung leidet, der sogenannten Phimose. Dabei lässt sich Vorhaut nur schwer oder gar nicht über die Eichel zurückziehen. Das ist bei den allermeisten männlichen Babys der Fall. Die verklebte Vorhaut sollte man keinesfalls mit Gewalt zurückziehen, weil dabei die Gefahr von Verletzungen besteht und später die Narben zur dauerhaften Verengung führen können.

Bis zum Beginn des Schulalters hat sich dieses Problem bei den allermeisten Jungen von selbst erledigt. Doch leider kann man nicht bei allen Kindern mit einer zu engen Vorhaut so lange warten. So können sich unter der Vorhaut immer wieder Entzündungen bilden. Außerdem kommt es vor, dass sich die Vorhaut beim Wasserlassen zu einem richtigen Ballon aufbläht. All das führt zu einem erhöhten Risiko für Harnwegsinfektionen.

Ein „Spanischer Kragen“ sollte rasch behandelt werden

Hinzu kommt, dass eine Vorhautverengung bei älteren Kindern mit größeren Problemen einhergeht. Dies kann bei einer Erektion zu Schmerzen führen. Wenn dann die Vorhaut mit Gewalt zurückgeschoben wird, kann es sein, dass die Eichel eingeklemmt und nur mangelhaft mit Blut versorgt wird. Dieser als „Spanischer Kragen“ bezeichnete Vorfall kann sogar zum Verlust der Eichel führen. Daher sollte ein solcher Notfall umgehend behandelt werden.

Bei einer normalen Phimose dagegen haben die Eltern die Wahl, was mir ihrem Jungen geschehen soll. Zunächst kann man versuchen, die Verengung mit Dehnungen und Salben zu behandeln. Führt das jedoch nicht zum Erfolg, ist eine Beschneidung angesagt. Zu diesem Zweck gibt es verschiedene Wege, die Vorhaut zu erweitern oder sie teilweise oder ganz zu entfernen.

Der Eingriff ist klein und dauert nur wenige Minuten, zudem erfolgt er zumeist ambulant. Aber es handelt sich immerhin um eine Operation mit den üblichen Risiken: Nachblutungen, Entzündungen, unerwünschte Narbenbildung. Auch kann sich die Vorhaut erneut verengen. Die Operation sollte bei Kindern in Narkose durchgeführt werden, bei Erwachsenen ist auch eine lokale Betäubung möglich. Anschließend muss die Wunde fachgerecht versorgt werden. Man sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass der Eingriff mit Schmerzen verbunden ist – und an die erinnern sich viele im Kindergartenalter operierte Jungen ihr Leben lang. Jüdische Babys werden allerdings aus religiösen Gründen bereits am achten Tag nach der Geburt beschnitten, weshalb sie sich später nicht mehr an den Eingriff erinnern. Ob es deshalb vielleicht später zu psychischen Problemen kommt, wie manche Experten vermuten, lässt sich nicht klären.

Hygiene dürfte heute kein Argument mehr sein

Als wichtiges Argument für eine Beschneidung werden immer wieder hygienische Gründe angeführt. Das mag früher zweifellos eine große Rolle gespielt haben – und somit auch ein medizinischer Grund für das Bescheidungsgebot im Judentum und Islam gewesen sein. In der Tat kann sich unter der Vorhaut an der Grenze zur Eichel eine weißliche Substanz ansammeln, das sogenannte Smegma. Dieses kann – wenn es nicht entfernt wird – nicht nur unangenehm riechen, sondern auch zum Nährmedium für unerwünschte Keime werden. Das Smegma wird zudem verdächtigt, dem Peniskrebs Vorschub zu leisten – schließlich erkranken beschnittene Männer praktisch nie an Peniskrebs. Auch bei der Übertragung bestimmter Papillomviren, die für den Gebärmutterhalskrebs bei Frauen verantwortlich sind, könnte das Smegma eine Rolle spielen. Interessant ist zudem die Tatsache, dass die für Aids verantwortlichen HI-Viren bei beschnittenen Männern offenbar schlechtere Chancen haben, den Körper zu infizieren.

Bei einer Phimose ist die Reinigung des Penis naturgemäß erschwert, weshalb in solchen Fällen durchaus auch hygienische Gründe für eine Entfernung der zu engen Vorhaut sprechen. Doch bei normalen Vorhaut-Verhältnissen reicht die heutzutage übliche Hygiene mit regelmäßigem Waschen vollständig aus – weshalb viele Experten hygienische Argumente für eine Beschneidung nicht mehr gelten lassen.

Und wie sieht es mit der Sexualität aus? Hier gibt es offenbar kaum Probleme. Im Gegenteil: angeblich sollen beschnittene Männer sexuell empfindlicher sein. Aber stichhaltig beweisen lässt sich das kaum.