Lange kamen wegen der Finanzkrise oft negative Nachrichten aus Portugal. Doch der Tourismus erweist sich als Lichtblick: In keinem anderen Land sind die Einnahmen zuletzt so stark gestiegen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Lissabon - Sonnenschein, eine milde Meeresbrise, Temperaturen um die 20 Grad – auch Mitte November kann Lissabon schon des Wetters wegen eine Reise wert sein. Mehr als 900 deutschen Touristikfachleuten zeigte sich die Metropole im Südwesten Europas jüngst von ihrer besten Seite. Für die 65. Jahrestagung des Deutschen Reiseverbands (DRV) wurde kein Aufwand gescheut. Schließlich ist die Bundesrepublik nicht nur der zweitwichtigste Handelspartner nach Spanien, die Bundesbürger gehören auch zu den wichtigsten und zahlungskräftigsten Besuchern in Portugal, mit starkem Trend nach oben.

 

„Das Land ist als klassisches Reiseziel wieder erstarkt“, sagt DRV-Präsident Norbert Fiebig. Die Zahlen sind beeindruckend. In den letzten zehn Jahren wuchsen die Einnahmen aus dem Tourismus den Angaben zufolge um fast 40 Prozent auf mehr als zehn Milliarden Euro, so kräftig wie kaum irgendwo in Europa. „Der Tourismus hat erheblichen Anteil daran, dass sich Portugal schneller von den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt hat als alle anderen Länder Südeuropas“, meint Fiebig. Die indirekten Effekte eingerechnet, steuere das Reisegeschäft bereits ein Zehntel zur gesamten Wirtschaftsleistung des Landes bei.

Katalogangebote kräftig ausgebaut

Besonders die Deutschen lassen sich gerne locken. Lissabon, Porto und Coimbra, die Bade- und Surfstrände der Algarve im Süden, die Weinregionen im Douro-Tal, die weiten Küstenlandschaften des Alentejo mit dem Weltkulturerbe Evora, die Blumeninsel Madeira und das Naturparadies der Azoren im Atlantik, das Land hat für Urlauber viel zu bieten. In diesem Jahr könnten es bis zu 1,1 Millionen Gäste allein aus Deutschland werden, 50 Prozent mehr als noch 2010, sagt der Präsident des portugiesischen Reisebüroverbands APAVT, Pedro Costa Ferreira.

Viele deutsche Veranstalter haben wegen der starken Nachfrage im vorigen Sommer ihre Katalogangebote kräftig ausgebaut, Airlines wie Tuifly stocken die Flugkapazitäten deutlich auf. Auch im Winterhalbjahr wird Portugal für kulturinteressierte Rundreisende, Golfer, Wanderer und Langzeiturlauber immer beliebter. Auf den viereinhalb Flugstunden von Deutschland entfernten Azoren haben neue Billigflugverbindungen von Ryanair und Easyjet für einen Nachfrageschub gesorgt, Madeira positioniert sich mit seinem milden Klima als Ganzjahresdestination.

Tiefer Absturz in der Krise

Für Portugal ist der Aufschwung im Tourismus ökonomisch ein Segen. In der Finanzkrise ist das Land tief abgestürzt, musste unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen und harte Sparmaßnahmen akzeptieren. Die Arbeitslosigkeit wuchs massiv. Eine halbe Million meist junger Menschen verließ mangels Perspektiven die Heimat, die Auswanderer suchten in einstigen Kolonien wie Brasilien oder Angola, bei Verwandten in den USA und Kanada, manche auch in Deutschland eine neue Chance.

Zumindest für die Tourismuspolitik bekommt die bisherige Regierung uneingeschränktes Lob von den deutschen Geschäftspartnern. Im Wettbewerb mit Spanien und Frankreich habe sich Portugal gut behauptet, heißt es beim DRV.

Der ambitionierte Nationale Tourismusplan PENT, der vor neun Jahren aufgelegt wurde und dieses Jahr ausläuft, sei auch in der Krise konsequent verfolgt worden. Die staatlichen Investitionen in bessere Berufsbildung und Infrastruktur sowie die Förderung junger Unternehmen zum Beispiel in der Digitalwirtschaft zahlen sich nun aus.

Vor allem in Lissabon gibt es eine lebhafte Gründerszene, die quirlige Hauptstadt zieht junge Leute aus ganz Europa an. Die Stadt hat mehrere Gebäude für Start-ups zur Verfügung gestellt, in denen rund 80 Unternehmen und 300 Selbstständige ihre Ideen und Konzepte verwirkliche können. Viele basteln an digitalen Helfern und Apps für die Reisebranche, zum Beispiel Architekturführern, Lastminute-Verkaufsportalen oder Hotelsoftware.

Andere wagen gleich den großen Schritt, gründen kleine Pensionen und Hotels oder machen pfiffige Restaurants oder Bars in der Altstadt auf, um mit vom wachsenden Besucherstrom am Tejo zu profitieren. Mit der Initiative „Turismo 2020“ will Portugal auch künftig dafür sorgen, dass das Wachstumsmotor nicht mehr ins Stottern gerät