Ihre erste Reise führt die neue Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries nach Afrika. Dort kommt sie gut an. Auch die mitgereiste Delegation lobt die Arbeit der SPD-Politikerin.

Nairobi - Die Ministerin lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Als sich die Ankunft des kenianischen Staatspräsidenten Uhuru Kenyatta wieder und wieder verzögert und Brigitte Zypries im Foyer des Hotels warten muss, nimmt sie das leicht. Die 63-Jährige, die sich selbst als „pragmatisch und gelassen“ bezeichnet, ist zu lange im politischen Geschäft, als dass sie sich aus der Ruhe bringen lässt – auch nicht durch die Nachricht, dass der Staatspräsident kurzfristig abgesagt hat. Seit 14 Tagen ist die Wirtschaftsministerin im Amt. Von Anfang an war klar, dass die Nachfolgerin Sigmar Gabriels eine Ministerin des Übergangs sein wird. Sie selbst kündigte an, dem nächsten Übergang nicht mehr anzugehören.

 

Die acht Monate bis zur Bundestagswahl will sie nutzen. „Ich werde sehr ernsthaft Wirtschaftspolitik machen“, sagt die Juristin, die im Jahr 1991 unter dem Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) in der niedersächsischen Staatskanzlei als Referatsleiterin angefangen hat. Die erste Bundeswirtschaftsministerin in Deutschland ist durch und durch sachorientiert. Der große Auftritt auf Marktplätzen liegt ihr weniger. Deshalb zählt sie nicht zu den bekannten Spitzenpolitikern in Berlin. Auch als die Sozialdemokratin von 2002 bis 2009 das Bundesjustizministerin führte, geschah das geräuschlos. Die Hessin vermittelt nicht den Eindruck, als dass sie die fehlende Bekanntheit als Nachteil empfindet. Als eine Journalistin sie mit „Frau Ministerin“ anredet, entgegnet die Ressortchefin, man könne auch ruhig „Frau Zypries“ sagen. Im Haus ist über sie zu hören, dass sie auf Dienstreisen an den Flughäfen auch gern einmal die S-Bahn nimmt, um in die Innenstädte zu kommen.

Signal Afrika

Dass die Neue im Kabinett zuerst nach Afrika reist, versteht sie als Signal. Der Kontinent liegt ihr am Herzen. Schon als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium war sie mehrfach hier. Anlass für die Reise, die sie zusammen mit Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) in die kenianische Hauptstadt Nairobi unternimmt, ist die zweite deutsch-afrikanische Wirtschaftskonferenz. Dass zu diesem Treffen mehr als 500 Unternehmer und Politiker kommen, bezeichnet Zypries als Erfolg. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass mehr deutsche Unternehmen in Kenia Geschäfte tätigen. Bisher sind auf dem gesamten afrikanischen Markt nur 1000 deutsche Unternehmen vertreten – ein winziger Anteil. Zu wenig, um auf den Wachstumsmarkt der nächsten Jahrzehnte vorbereitet zu sein, meint die Bundesregierung. „Ich hoffe, dass der Export der deutschen Wirtschaft durch die Konferenz einen Schub bekommt“, sagt die Ministerin. In Kenia will die deutsche Politik 5000 neue Ausbildungsplätze fördern. Afrika wird auch ein Schwerpunkt auf dem G20-Gipfel in Hamburg sein, den die deutsche Präsidentschaft ausrichtet.

Doch Afrika ist für sie nur ein wichtiges Thema. Zypries will sich in den nächsten Monaten vorrangig um zwei Themen kümmern: An vorderer Stelle steht für sie die Digitalisierung. „Da ist das größte Veränderungspotenzial“, sagt die Ministerin. Beim deutschen Mittelstand sieht sie Nachholbedarf. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht bei ihr auch die Handelspolitik. Dass die USA mit Schutzzöllen drohen, führt aus ihrer Sicht zu Ungewissheit und Lähmung. Dies sei gefährlich für die exportabhängige deutsche Wirtschaft. Zypries suchte schon das Gespräch mit deutschen Großunternehmen, die in den USA tätig sind. Sie will erfahren, wie die Wirtschaft über den Konflikt denkt. Die Ministerin hat sich vorgenommen, so schnell wie möglich in die Staaten zu reisen und mit dem künftigen Handelsminister zu verhandeln, sobald dieser bestellt ist. Der US-Administration will Zypries mit Selbstbewusstsein gegenübertreten. „Deutschland wird sein Gewicht in die Waagschale werfen“, sagt Zypries. Den Kontakt sucht sie nicht nur mit der neuen US-Regierung, sondern auch mit den Gouverneuren der Bundesstaaten, in denen die deutschen Unternehmen bedeutende Werke besitzen. „Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich noch mehr als eine Reise in die Vereinigten Staaten unternehmen“, so Zypries.

Die Bedeutung der Industriepolitik

In der Wirtschaft kommen diese Ankündigungen an. Auf einem Kongress in Berlin machte die Ministerin jüngst deutlich, welchen Stellenwert sie der Industriepolitik beimisst. Aus der Zusammenarbeit mit dem Exkanzler Schröder wisse sie, wie wichtig Industriepolitik ist, erzählt sie. Dieses Bekenntnis gibt sie in großer Deutlichkeit ab. Im Ministerium heißt es schon, es herrsche nun ein anderer Ton. Die Wirtschaft vernimmt es jedenfalls gern, wenn Zypries sagt, dass in Europa die Industriepolitik denselben Stellenwert haben müsse wie die Klimapolitik. „Uns nützt das beste Klima nichts, wenn die Leute keine Arbeitsplätze haben“, diktiert die Ministerin den Journalisten auf ihrer Kenia-Visite in den Block. Ihrem Vorgänger Sigmar Gabriel wären solche Formulierungen kaum über die Lippen gekommen.

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sind zufrieden, dass Zypries einen Blitzstart hingelegt hat. Dort wird registriert, dass die Ressortchefin die Arbeit der Ministerialbürokratie zu steuern weiß. „Sie kennt ihr Handwerk“, sagt Volker Treier, der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), der zur Wirtschaftsdelegation in Kenia gehört. In der Wirtschaft hat Zypries den Ruf, überaus zuverlässig zu sein. Auf die Absprachen mit der früheren Staatssekretärin hätten die Verbände vertrauen können, sagt Treier.

Das Bad in der Menge

In Nairobi nimmt Zypries – ganz gegen ihre Gewohnheiten – dann doch noch ein Bad in der Menge. Sie besucht zusammen mit der kenianischen Außenministerin spontan eine Markthalle. Als die Händler und Besucher ihre Außenministerin erkennen, klatschen sie Beifall. Die Ministerin stellt ihren Gast aus Deutschland vor. Es bilden sich Menschentrauben, die Leute freuen sich über den Besuch aus Deutschland. Eine Frau klopft Zypries auf die Schulter und sagt: „Danke, dass sie gekommen sind.“