Neun Tage war die kurdische Stadt Cizre von der Außenwelt abgeriegelt. Nun gelingt Grünen-Chef Özdemir ein Besuch in der Stadt. Er ist bestürzt über die Zerstörungen durch die Kämpfe zwischen Armee und PKK.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Cizre - In der Türkei bestehe angesichts der eskalierenden Gewalt die Gefahr eines Bürgerkrieges. Das sagte Grünen-Chef Cem Özdemir nach dem Besuch in der umkämpften Stadt Cizre. „Man muss aufpassen, dass es sich nicht in diese Richtung entwickelt. Von politischer Stabilität kann in der Türkei längst keine Rede mehr sein.“ In Cizre war es in den vergangenen Tagen zu schweren Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Kämpfern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gekommen. Ausgehsperren wurden verhängt und Sicherheitskräfte riegelten die Stadt von der Außenwelt ab. Özdemir zeigte sich sichtlich beeindruckt durch die Zerstörungen in Cizre, die „eine völlig neue Dimension erreicht haben“. Man könne nur erahnen, mit welcher Brutalität die Angriffe geführt worden seien, sagte er. Özdemir forderte die Regierung und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu einer sofortigen Waffenruhe auf. „Der Ort zur Lösung der kurdischen Frage ist das Parlament“, so der Politiker, der auf seiner Reise von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, begleitet wurde.

 

Massive Kritik an Erdogan

Özdemir äußert sich allerdings skeptisch, dass die Verantwortlichen in Ankara den Verhandlungsweg einschlagen werden. Er wirft Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor, auf eine „innenpolitische Verschärfung“ der Lage gesetzt zu haben. Grund sei, dass Erdogans islamisch-konservative AKP bei der Parlamentswahl im Juni die von ihm gewünschte verfassungsändernde Mehrheit verfehlt habe. „Er hat das Land ohne Not in eine Krise gestürzt.“ Nach dem Scheitern von Koalitionsverhandlungen hat Erdogan für den 1. November Neuwahlen ausgerufen.

Durch das Verhalten des Präsidenten habe die Türkei in der internationalen Staatengemeinschaft an Ansehen verloren. Der Westen müsse versuchen, seinen Einfluss auf Ankara geltend zu machen. „Als Nato-Mitglied und EU-Beitrittskandidat muss die Türkei erkennen, dass sich das Land an demokratische Grundsätze halten muss“, erklärt Özdemir. Rücke Ankara nicht von seinem Konfrontationskurs mit den Kurden ab, sollte der Westen prüfen, ob das G-20-Treffen im November in Antalya stattfinden soll. Das wäre, so Özdemir, ein deutliches Signal an Erdogan.