Der ehemalige Bundesrichter Armin Nack erzählt in zwei Schulstunden Mädchen von der Schloss-Realschule aus dem schrillen Leben in den Gerichtssälen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Wie lange ist eigentlich lebenslang? Darf ein Angeklagter lügen? Wie bestraft man einen jugendlichen Täter? Die Klasse 8b der Schloss-Realschule für Mädchen ging ans Eingemachte. Wenn sie schon mal einen echten Bundesrichter a.D. im Klassenzimmer haben, dann sollte der ihnen auch ihre brennenden Fragen zur Strafjustiz beantworten. Seit Schuljahresbeginn befassen sich die Mädchen im Fächerverbund Erd-, Wirtschafts- und Gemeinschaftskunde mit Menschenrechten, Grundrechten und der Rechtssprechung. Da waren viele Fragen aufgelaufen. Der ehemalige Bundesrichter Armin Nack stand Rede und Antwort. Vor allem aber füllte er die abstrakten juristischen Begriffe mit den prallen und schrillen Geschichten aus den Gerichtssälen.

 

Heimtückischer Mord in der Nachbarschaft

Der Vierfachmord von Eislingen im Kreis Göppingen zum Beispiel. Daran konnte der Jurist gleich eine ganze Reihe Aspekte veranschaulichen. Der 18-jährige Sohn einer Familie ermordete im Jahr 2009 zusammen mit einem Freund seine beiden Schwestern sowie die Eltern, um an das Erbe zu kommen. „Das Mordmerkmal: Habgier“, so Nack. Die beiden Schwestern seien beim Fernsehen per Kopfschuss hingerichtet worden. Mordmerkmal: Heimtücke. „Die hatten sich gerade Germany’s next Top Model angesehen.“ Ein erschreckter Kollektiv-Japser erschüttert das Klassenzimmer der 8b.

„Der Sohn wurde nach Erwachsenenstrafrecht zu lebenslänglich verurteilt, obwohl Heranwachsende sonst meist nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden“, erklärte Nack. Grund sei, dass das Gericht eine besondere Schwere der Schuld festgestellt habe. „Ist lebenslänglich wirklich lebenslang?“, wollten die Schülerinnen wissen. „Nein. Das sind heute 19 bis 20 Jahre.“ Die Höchststrafe betrage 15 Jahre. Bei besonderer Schwere der Schuld würden darauf noch ein paar Jahre draufgeschlagen. „Aber die Menschenwürde erfordert, dass auch diese Menschen eine Zukunftsperspektive kriegen.“Und hätten sich die beiden Freunde gegenseitig die Schuld zugewiesen, wäre das Meineid? Die Antwort erstaunte die jungen Frauen: Im Unterschied zu den Zeugen darf ein Angeklagter vor Gericht nicht bloß schweigen, sondern sogar lügen. „Aus amerikanischen Krimis kennt man das anders: In den USA ist der Angeklagte Zeuge und muss die Wahrheit sagen.“

Nack hätte lässig eine weitere Schulstunde gefüllt, und die Fragen wären wohl auch nie versiegt. Am Ende des Schuljahres will die Klasse eine Exkursion in einen Gerichtssaal unternehmen.