Das gibt es auch nicht alle Tage: Gleich drei Generationen Blues- und Rockgrößen heizen auf der Jazz-Open-Bühne auf dem Stuttgarter Schlossplatz ein. Sowohl bei Bluesrock-Röhre Beth Hart, bei Popveteran Steve Winwood wie bei Blueslegende Buddy Guy werden die Stehplätze schnell zu Tanzplätzen.

Stuttgart - Dass sie einen undankbaren Job hat, merkt man Beth Hart nicht an. Die amerikanische Bluesrockerin kommt als erste im vollen Tageslicht auf die Bühne der Jazz Open auf dem Schlossplatz, die Sängerin muss erst mal Stimmung machen. Aber die 45-Jährige erreicht schon nach zwei Takten die volle Betriebstemperatur, jene Blueshitze, in der sich Frust und Kampfeslust, Wundfieber und Gier nach neuer Berührung nicht mehr unterscheiden lassen. Sie maunzt und schluchzt nur in gelegentlichen Effektbeigaben, meist fegt ihre Stimme mit jenem Druck heran, der weniger sexuelle Provokation als Verkündung der eigenen Unbeugsamkeit ist. Schnell werden die Stehplätze zu Tanzplätzen, und die Band treibt sich und das Publikum über einen großen Widerspruch hinweg: dass hier im vollen Sonnenlicht verhandelt wird, was in einen dunklen Club gehört, weil die Musik der früher schwer drogensüchtigen Hart vom Bestehen einer tiefen Nacht erzählt.

 

Wo Hart ständig schuften muss, könnte es der Brite Steve Winwood mit 69 Jahren sachter angehen lassen, er könnte sich von seinem Teppich aus Hits tragen lassen, der zurückreicht bis in die Zeit bei der Spencer Davis Group, in den legendären britischen Popaufbruch der Sechziger also. Aber der Sänger, Gitarrist und Tastenmann lehnt sich nie zurück, er bietet „Can’t find my Way home“, „Had to cry today“ oder „Them Changes“, als seien das frische Botschaften. Der optimistische Latin-Groove der Band wird vom Perkussionisten Edwin Sanz aufrecht erhalten, der Saxofonist Paul Booth und der Gitarrist Jose Neto können also virtuos energischer werden, ohne die aus anderen Epochen herüberwehende Gutmütigkeit der Musik ins Düstere zu wenden. Jetzt wird alles besser, jetzt haben wir den richtigen Ton gefunden, hieß es mal in der Rockmusik. Steve Winwoodhat diesen Glauben noch nicht aufgegeben.

Gehackte Zwiebeln und Peperoni

Buddy Guy lässt es da lieber schalkhaft gewittern. Auf den höchsten Bünden drängt er die Gitarrensaiten aus ihrer Lage, quetscht ihre Protestschreie durch den Verzerrer und schreddert Tonfolgen, als hacke er im Akkord Zwiebeln und Peperoni für ein scharfes Gumbo, jenen Eintopf, den er früher selbst in seinem alten Club Checkerboard Lounge tief auf der Southside Chicagos gekocht hat. Für seine Verhältnisse sind das fröhlich dargebotene Jahrmarktsnummern, bei denen schlicht die Energie erstaunlich ist, mit der Guy zu Werke geht – am 30. Juli wird er 81 Jahre alt.

Aber ist dem Mann wirklich nur nach Scherzen zumute, nach Show-Gimmicks: ein wenig mit den Zähnen spielen, die Gitarren hinter den Rücken nehmen, die voll aufgedrehten Tonabnehmer noch das Schaben des Hemdstoffs an den Saiten verarbeiten lassen? Nein, aus dem draufgängerischen Jetzt-geht-die-Sause-ab-Gedröhne wird eine kollektive Totenwache, in die Guy sein Publikum hineintrickst. Guy spielt „Sweet Sixteen“ von B.B. King, „Grits and Gravy“ von Little Milton, „Chicken Heads“ von James Cotton, „Five Long Years“ von Eddie Boyd, „Hoodoo Man“ von Guys jahrzehntelangen Freund und Partner Junior Wells. Seine Stimme ist mit ihrem Spektrum von konzentriertem Falsett bis zur schlaksigen Nebenbeibemerkung noch immer charismatisch, seine Gitarre wird bei den Memorial-Stücken auch mal leiser. Buddy Guy will im Alter zeigen, wie fit er ist, aber auch Botschafter all jener sein, die nicht mehr dabei sein können.