Eine umfangreiche Befragung hat einen hohen Betreuungsbedarf für Schulkinder am Nachmittag ergeben. Das eröffnet die Debatte um die Schulform neu.

Stuttgart. - Betreuungsangebote am Nachmittag werden nicht nur in Kindertagesstätten vermehrt nachgefragt, sondern künftig auch in der Grundschule. Das ergibt eine Befragung von Eltern, deren Kinder zwischen Oktober 2010 und Oktober 2012 geboren wurden. 10 120 Haushalte sind von der Stadt angeschrieben worden, mehr als die Hälfte der Angeschriebenen hat sich an der Befragung beteiligt.

 

Die Ergebnisse sind eindeutig: Mehr als zwei Drittel der Familien benötigen für ihr Kind nach dem Wechsel auf die Grundschule ein Betreuungsangebot an vier oder fünf Tagen in der Woche. Ein Drittel braucht ein Angebot bis 17 Uhr, nur wenigen Müttern und Vätern reichen Betreuungsangebote, die bereits um 13 oder 14 Uhr enden.

Viele brauchen Betreuung an fünf Wochentagen

Nach der Form der gewünschten Betreuung gefragt, haben 46 Prozent geäußert, sie wünschten sich eine gesicherte Bildungs- und Betreuungszeit an bis zu fünf Wochentagen. Nur 21 Prozent wären mit halbtägiger Betreuung zufrieden, zwölf Prozent wollen flexible Zeiten, und 21 Prozent der Befragten haben bisher nur einen unklaren Wunsch oder können noch keine Angaben dazu machen, zu welchen Zeiten sie ihre Kinder betreut wissen wollen.

Die Analyse unterscheidet darüber hinaus, welcher Wunsch in welcher Einkommensschicht geäußert wird. Auffällig ist, dass die Ganztagsbetreuung in allen Einkommensgruppen überwiegt, der Wunsch nach Flexibilität aber mit dem Einkommen steigt. Das Nettoeinkommen der Familien variiert bei den Befragten zwischen unter 900 Euro und 4000 Euro und mehr pro Monat.

Verlässliche Angebotszeiten und die pädagogische Qualifikation aller Personen, ein Mittagessensangebot und Sport werden von rund 90 Prozent der Eltern am höchsten bewertet, niedrige Kosten sind ein untergeordnetes Kriterium.

SPD will Daten für Bezirke

Die CDU-Fraktion und die Grünen hatten den Einstieg in einen Qualitätsentwicklungsprozess bei der Ganztagsbetreuung gefordert. Ein Bestandteil ist die Befragung. Gabriele Nuber-Schöllhammer (Grüne): „Ich habe da rausgelesen, dass die meisten die qualifizierte Betreuung am Nachmittag brauchen. Die Ganztagsgrundschule ist für Eltern in der Stadt das Angebot, und je mehr in der Kita schon länger betreut werden, desto mehr werden in die Ganztagsschule kommen.“

Marita Gröger (SPD) bat die Verwaltung darum, die Ergebnisse auch in absoluten Zahlen darzustellen, um den Bedarf nach Ganztagsschulen in den einzelnen Bezirken besser erfassen zu können. Christian Walter von SÖS-Linke/plus zeigte sich davon überrascht, dass insbesondere die Haushalte mit einem Einkommen von unter 900 Euro zu einem Drittel noch unentschlossen sind, welche Betreuungsform sie wünschen: „Eigentlich müsste es in ihrem Interesse sein, ihre ökonomische Situation zu verbessern.“ Rose von Stein (Freie Wähler) vermutet, dass das Wissen über Betreuungsangebote bei dieser Gruppe fehlt. Bernd Klingler (AfD) sieht insbesondere eines: „Die Leute wollen Rundumversorgung und Flexibilität.“ „Wo es flexible Betreuungsmöglichkeiten geben kann, sollten wir sie auch anbieten“, sagte Fred Stradinger (CDU), „Stuttgart ist mit der Wahlmöglichkeit zwischen Ganztags- und Halbtagsschule auf dem richtigen Weg.“

Mischklassen behindern Rhythmisierung

Dieser Weg führt allerdings zu problematischen Konstellationen an Grundschulen. So hat sich beispielsweise die Zahl der Mischklassen, wo Ganztags- und Halbtagsschüler gemeinsam unterrichtet werden, auf 49 erhöht. „Das ist nicht unser pädagogisches Ziel“, so Gabriele Nuber-Schöllhammer. Uwe Heilek, der Geschäftsführende Schulleiter der Grundschulen, sieht Mischklassen nicht als Lösung an, aber „die Mehrheit der Ganztagsschulen hat sich nunmal für die Wahlform entschieden.“ Schulbürgermeisterin Isabel Fezer bedauerte: „Mischklassen behindern die Rhythmisierung und sollten die Ausnahme bleiben. Wir haben nur leider zu wenig Lehrer für mehr reine Ganztagsklassen.“ Die Gesamtelternbeiratsvorsitzende Kathrin Grix appellierte für den Ausbau: „Ich sehe viele Halbtagsschulen in Bezirken, in denen der Ganztagsbedarf bei 50 Prozent liegt.“