Die Stadt Stuttgart schlägt vor, den Trägerverein der Bil-Schulen als Jugendhilfeträger anzuerkennen. Der Verein plant, in Bad Cannstatt eine Kita einzurichten. Umstritten ist allerdings, wie nahe die Einrichtung der Gülen-Bewegung steht.

Stuttgart - Am Montag hat der Jugendhilfeausschuss über die Anerkennung eines Kita-Trägers zu befinden, dessen Einschätzung dem städtischen Sozialreferat offenbar nicht so leicht gefallen ist. Es geht um den Bildungs- und Schulverein Baden-Württemberg e.V., der bereits Träger der Bil-Schulen auf dem Hallschlag ist, und um die Frage, wie nah dieser Verein zur umstrittenen Bewegung des türkischen Predigers Fethullah Gülen steht. Der Verein möchte in der Sichelstraße in Bad Cannstatt eine sechsgruppige Kita mit 70 Plätzen einrichten und für den notwendigen Umbau des Gebäudes einen städtischen Investitionszuschuss von knapp drei Millionen Euro. Dafür braucht er aber die Anerkennung als freier Jugendhilfeträger.

 

Der Sachverhalt ist deshalb ungewöhnlich, weil Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) in der Begründung des Beschlussantrags einen Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz zur Gülen-Bewegung vom Juli 2014 zitiert. Hintergrund dafür sei, dass der Verein und seine Ziele seit der Gründung der Bil-Schulen 2004 in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert würden – im Mittelpunkt stünden „Vermutungen, die den Verein beziehungsweise die türkischstämmigen Vereinsgründer in der Nähe zur sogenannten Gülen-Bewegung des Predigers Fethullah Gülen sehen“. Dies habe der Verein zwar bestritten. „Ich habe in den Gesprächen mit den Verantwortlichen keine Distanzierung zu der Gülen-Bewegung wahrgenommen“, sagte Fezer der Stuttgarter Zeitung. Der Prediger Gülen macht sich für mehr Bildung stark, aber auch für einen Staat, der nach den Werten des Islam ausgerichtet ist.

Es bleibt offen, ob der Verein zur Gülen-Bewegung gehört

Der Verfassungsschutz berichtet, dass einzelne Schriften und Aussagen von Fethullah Gülen „im Widerspruch zum Grundgesetz“ beziehungsweise „zumindest als verfassungskritisch zu bewerten“ seien, kommt aber zur Einschätzung, „dass keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gülen-Bewegung mit ihren Aktivitäten in Baden-Württemberg verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt“. Anmerkung der Sozialverwaltung in der Beschlussvorlage: „Offen bleibt weiterhin, ob der Verein zur Gülen-Bewegung gerechnet werden kann.“

Aus der bisherigen Praxis der zwischenzeitlich auf 410 Schüler angewachsenen und sehr gefragten Bil-Schulen, die nach dem baden-württembergischen Bildungsplan arbeiten, seien aber „Fälle von versuchter weltanschaulicher Beeinflussung nicht bekannt“. Somit, so das Fazit der Stadtverwaltung, könne der Verein als Träger der freien Jugendhilfe gemäß Sozialgesetzbuch anerkannt werden. Dies, so wird betont, begründe jedoch keinen Rechtsanspruch auf die städtische Förderung. Diese könne „jederzeit widerrufen werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind“.

Geplante Kita für die Kinder aus der Nachbarschaft

In der geplanten Kita in der Sichelstraße, die das Jugendamt übergangsweise als Ausweichquartier für die städtische Olgakrippe während deren Umbau nutzen will, sollen anschließend vom Bildungs- und Schulverein vor allem Kinder aus der unmittelbaren Nachbarschaft aufgenommen werden. Die Einrichtung solle, wie in der Beschlussvorlage betont wird, für alle Kinder zugänglich sein, „ohne Berücksichtigung der Herkunft, der Sprache oder Religionszugehörigkeit“. Um dies abzusichern, soll eigens ein Beirat eingerichtet werden, dem auch das Jugendamt angehört – eine ungewöhnliche Maßnahme bei einem freien Träger. „Wir werden bei dieser Kita besonders darauf achten, dass diese Vereinbarungen eingehalten werden“, sagte Fezer der StZ.

Eine Homepage des Trägervereins findet sich im Internet nicht. Wer den Bildungs- und Schulverein Baden-Württemberg e.V. sucht, landet auf der Homepage der Bil-Schulen, die in der Zuckerfabrik inzwischen eine Grundschule, eine Realschule, ein G8-Gymnasium und ein Wirtschaftsgymnasium betreiben. Zum zehnjährigen Jubiläum der Bil-Schulen im vergangenen September hatte deren Mitbegründer Muammer Akin der StZ erklärt: „Die Schule hat mit der Gülen-Bewegung nichts zu tun – aber das schließt nicht aus, dass Personen aus der Schule und dem Trägerverein sich damit identifizieren.“ Im vergangenen Oktober hatte der Technikausschuss des Gemeinderats Pläne des privaten Bildungsträgers abgelehnt, bei dem Schulneubau in der Zuckerfabrik die Grundschule zu erweitern sowie dort auch eine Kita zu bauen. Als Gründe für die Ablehnung nannten die Räte damals, das hinterste Eck eines Gewerbegebiets sei kein geeigneter Ort für einen Kindergarten und eine Grundschule. Zudem wolle man die Fläche für Gewerbe freihalten.