In Stuttgart fehlen Betreuungsplätze. Doch das soll sich ändern: Nach StZ-Informationen sollen Ganztagsschulen in der Stadt massiv ausgebaut werden.

Stuttgart - Zum neuen Schuljahr fehlen in Stuttgart rund 6000 Betreuungsplätze für Schulkinder. Das stellt viele Eltern vor existenzielle Probleme. Noch vor den Sommerferien wollen deshalb die Bürgermeisterinnen Susanne Eisenmann (Schulen) und Isabel Fezer (Soziales) dem Gemeinderat ein neuartiges Rahmenkonzept vorstellen, wie sie der Stuttgarter Zeitung auf Anfrage berichteten. Dessen Kernpunkt: "Wir wollen bis 2018 alle Grundschulen in verbindliche Ganztagsschulen umwandeln - so sie es wollen", sagte Eisenmann. Mit dem bisherigen Sammelsurium unterschiedlicher Betreuungskonzepte solle Schluss gemacht werden.

 

Ganztagsbetreuung für Schulkinder werde künftig ausschließlich an den Schulen stattfinden - und zwar mit den Qualitätsstandards der klassischen Horte: also mit dem gleichen Personalschlüssel, mit Mittagessen, mit einer Betreuung bis 16, wahlweise auch bis 17Uhr, sowie mit Ferienbetreuung. "Die Horte werden sukzessive aufgelöst", ergänzte Fezer. "Deren Räume brauchen wir für den Ausbau der Krippen."

Schulhäuser als Vorstufe zur Ganztagsschule

Das Rahmenkonzept sehe vor, dass es für Schulkinder vom Jahr 2018 an nur noch zwei Betreuungssysteme geben soll, die von der Stadt gefördert werden: die verbindliche Ganztagsbetreuung sowie eine verlässliche Grundschulbetreuung bis 14 Uhr. Je nach Bedarfslage könne eine Schule auch beide Formen anbieten.

Um jedoch zunächst den akuten Betreuungsbedarf zu decken, sollen im Herbst bis zu 50 zusätzliche Gruppen in der "flexiblen Nachmittagsbetreuung" eingerichtet werden - eine aus der Not geborene Art Billigvariante des klassischen Horts. Dieses Modell soll jedoch so rasch wie möglich weiter ausgebaut werden: quantitativ, aber auch qualitativ. Die beiden Bürgermeisterinnen wollen dieses Angebot sukzessive in sogenannte Schülerhäuser umwandeln - als Vorstufe zur Ganztagesschule. "Diese Schülerhäuser sollen alle Betreuungsformen ablösen, die es bis jetzt gibt", so Eisenmann.

Weitere Koch- und Essgelegenheiten werden nötig

Der einzige Unterschied zum Hort sei, dass die Betreuung in den Schulräumen stattfinde. Dies sei leichter, kostengünstiger und vor allen Dingen schneller flächenmäßig zu realisieren als ein Ausbau der Horte. "Wir kommen da ja gar nicht hinterher", sagte Fezer im Blick auf die fehlenden Flächen, aber auch auf baurechtliche Probleme und die Einsprüche von Nachbarn.

Natürlich müsste die Infrastruktur der Schulen dann für deren zusätzliche Bestimmung ausgebaut werden. Es müssten beispielsweise weitere Koch- und Essgelegenheiten eingerichtet und der komplette Betrieb auf Ganztagsnutzung umgestellt werden.

Die Bürgermeisterinnen gehen dabei allein für den Doppelhaushalt 2012/13 von Investitionskosten in dreistelliger Millionenhöhe und von jährlichen Betriebskosten in Höhe von rund 40 Millionen Euro aus. "Wir machen hier keine windigen Kompromisse, wir geben uns nicht mehr ab mit teuren Zwischenlösungen, sondern wir setzen jetzt von vornherein aufs richtige Pferd", meinte Fezer.

Eisenmann ergänzte: "Wir schaffen die offenen Ganztagsschulen ab, die Schulen werden sich entscheiden müssen, ob sie richtige Ganztagsschulen werden wollen oder nicht." Und die Eltern werden sich entscheiden können, ob und welche Betreuungsform sie wollen. Im Unterschied zum Hort müssten sie bei der Ganztagsbetreuung nur das Mittagessen sowie - bei Bedarf - die Zusatzstunde bis 17 Uhr bezahlen.

Der Schulerfolg verbessert sich

Die neue Konzeption hätte aus Sicht der Bürgermeisterinnen mehrere Vorteile: Mit den zusätzlichen Lehrerstunden vom Land könnte der Schulalltag rhythmisiert und Lernen und Freizeit pädagogisch besser miteinander verbunden werden. "Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung da mitmacht", meinte Eisenmann. Denn der Ausbau der Ganztagsschulen habe für diese ja erste Priorität. "Wenn die Kinder von der Schule kommen, haben sie die Hausaufgaben bereits gemacht."

Schon bei den bisherigen Ganztagsgrundschulen zeige sich, dass sich durch diese der Schulerfolg der Kinder verbessere, was man an der höheren Übertrittsquote aufs Gymnasium ablesen könne. So habe sich diese etwa an der Carl-Benz-Schule auf dem Hallschlag von 9,7 auf 22 Prozent erhöht, an der Heusteigschule im Süden von 26.5 auf 52,9 Prozent. Fezer sieht zudem als Vorteil, dass die bisherige Zuordnung der Ganztagsschulen zu sozialen Brennpunktgebieten somit vorbei wäre, was manche Eltern als diskriminierend bewertet hätten.

Auch städtische Mitarbeiter sollen einbezogen werden

Und noch einen weiteren Vorteil biete das Konzept: Die bisher verwirrenden Zuständigkeiten wären für alle Beteiligten künftig klar geregelt. Für die Betreuung der Schulkinder wäre dann das Schulreferat zuständig, für die Betreuung der Kita- und Krippenkinder das Sozialreferat.

Die freien Träger sollen in das Konzept einbezogen werden. "Für sie eröffnen sich neue und auch große Geschäftsfelder", so Fezer. "Wir schreiben die Trägerschaft der Schülerhäuser aus", sagte Eisenmann. Auch die städtischen Mitarbeiter, die bisher etwa im Rahmen der verlässlichen Grundschule beschäftigt sind, sollen in das neue Konzept einbezogen werden - laut Eisenmann ohne Verschlechterung. "Wir können auf niemanden verzichten", sagte die Schulbürgermeisterin im Blick auf die für den Ausbau nötige Personalakquise.

Der Rahmenplan sieht vor, bis 2018 jedes Jahr zehn Grundschulen und fünf weiterführende Schulen zu Ganztagsschulen auszubauen. Somit wäre laut Eisenmann der Bedarf gedeckt. Derzeit müsse das Konzept noch intern abgestimmt werden. Um mit der Umsetzung möglichst rasch beginnen zu können, soll der Gemeinderat noch vor der Sommerpause entscheiden.

Betreuungsplätze für mehr Schulkinder

Ausgangslage: Derzeit gibt es rund 7000 Betreuungsplätze für Schulkinder, allerdings mit sehr unterschiedlichen Qualitätsstandards und Betreuungszeiten. Das entspricht insgesamt einer Betreuungsquote von rund 30 Prozent. Die Stadt geht jedoch von einem Bedarf von bis zu 70 Prozent aus – hierzu fehlen bis jetzt jedoch rund 6000 Plätze.

Plan: Das von den Bürgermeisterinnen Eisenmann und Fezer entwickelte Konzept sieht bis 2018 eine vollständige Verlagerung der Horte in die Schulen vor. Eltern sollen künftig die Wahl zwischen einer verpflichtenden Ganztagsgrundschule mit Mittagessen, Betreuung bis 16 oder 17 Uhr und in den Ferien haben – und der verlässlichen Grundschule bis 14 Uhr.

Ausbau: Derzeit sind 17 von 72 Grundschulen bereits Ganztagsgrundschulen oder auf dem Weg dorthin. Geplant ist, bis 2018 jährlich zehn Grund- und fünf weiterführende Schulen für den Ganztagsbetrieb umzubauen. Dies würde für den Doppelhaushalt 2012/13 Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe bedeuten – sofern der Rat zustimmt.