Beim 37. Stuttgarter Betriebswirtschaftssymposium wird Afrika als Schauplatz für ein dynamisches Marktgeschehen geschildert. Deutsche Investoren sind dort aber noch selten.

Stuttgart - Die Chinesen, Inder, Türken und Brasilianer sind längst da – als Investoren in Afrika. Deutsche Geschäftstätigkeit auf dem Nachbarkontinent Europas hält sich aber noch sehr in Grenzen. „Verschläft unsere Wirtschaft einen Wachstumsmarkt?“, das war die Leitfrage von Ökonomieprofessor Reinhold Mayer beim 37. Betriebswirtschaftsymposium an der Universität Stuttgart.

 

Die Perspektiven Afrikas sind gewaltig: enorme Rohstoffvorkommen, genügend Raum, eine stark wachsende Bevölkerung, derzeit schon ein hohes Wirtschaftswachstum, das laut IWF bis 2020 im Durchschnitt jährlich 3,3 Prozent betragen wird. 2050 werde sich Afrikas Bevölkerung verdoppelt haben auf 2,1 Milliarden, berichtete Christian Hiller von Gärtringen, Autor des Buches „Afrika – das neue Asien“. „Im Jahr 2050 werden 40 Prozent seiner Bevölkerung werden jünger als 15 sein, in Europa werden es nur 16 Prozent sein.“ Absatzmärkte der Zukunft werden also in Afrika liegen, genügend Erwerbstätige werden dort zu finden sein. Schon jetzt hat der Kontinent in allen Bereichen – vom Agrobusiness über den Gesundheitssektor, die Infrastruktur bis hin zur Umwelttechnik hohen Nachholbedarf.

Bosch hat bald 13 Niederlassungen in Afrika

Einige Firmen haben dies schon erkannt. Die Robert Bosch GmbH hat beispielsweise vor vier Jahren eine Afrika-Strategie gegründet. Seitdem hat Bosch die Zahl der Niederlassungen dort von vier auf elf erhöht, zum Jahresende werden es 13 sein, berichtete Markus Thill, Präsident Region Afrika bei Bosch. Noch sind die Zahlen aber bescheiden: 500 Millionen Jahresumsatz in Afrika und 1600 Mitarbeiter – das kann erst ein Anfang sein. Thill zeigte sich angetan von der Dynamik des Kontinents: „Gehen Sie dahin!“, sagte er . Thill bekräftigte übrigens, dass er mit dem Problem Korruption nicht konfrontiert worden sei.

Auch Claudia Voss vom Afrikaverein der deutschen Wirtschaft macht sich für ein Engagement in Afrika stark. Zur Zeit seien erst 1000 deutsche Unternehmen dort, die insgesamt rund 200 000 Arbeitsplätze sicherten. „Wir müssen auch Klein- und Mittelständler mitnehmen, die sind schon in den Startlöchern.“ Der Afrikaverein setzt sich dafür ein, dass die Hermesdeckungen zur Exportabsicherung – sie gelten nur für rund ein Dutzend Länder in Afrika – ausgeweitet werden. Auch in der deutschen Politik erkennt Voss einen „Paradigmenwechsel“, eine Hinwendung zu Afrika, auch um die Fluchtursachen zu bekämpfen. Die deutsche Wirtschaft liegt bei den ausländischen Direktinvestitionen mit 13 Milliarden Dollar im Jahr im Länderranking auf Platz zehn , hinter Staaten wie Malaysia, Singapur oder Indien. Die stärksten Investoren sind Großbritannien (66 Milliarden), die USA (64 Milliarden) und Frankreich (52 Milliarden).

Die Wirtschaft wächst, die Bevölkerung aber auch

Verständnis für die Zurückhaltung deutscher Investoren war aus den Aussagen von Jann Lay, Direktor des GIGA-Instituts für Afrikastudien herauszuhören. Er verwies auf die politischen Krisen, etwa in der Zentralafrikanischen Republik oder gegenwärtig im ökonomischen Musterland Kenia wegen der umstrittenen Präsidentenwahl, die Afrika noch erschüttern. Auch relativierte Lay die hohen Wachstumszahlen: Man müsse auch das niedrige Vergleichsniveau sehen, auf dem diese Zahlen basieren. In Äthiopien beispielsweise liege das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr noch unter 1000 Dollar. „Das ist immer noch ein sehr armes Land, vergleicht man es etwa mit Ländern in Lateinamerika.“ Zwar sei es gelungen, die Armut und die Kindersterblichkeit in Afrika zu reduzieren, doch das starke Bevölkerungswachstum „fresse“ das Wirtschaftswachstum oft wieder auf. Ein Beispiel aus Niger: In diesem Land sei das BIP von 2000 bis 2016 um 120 Prozent gewachsen, das BIP pro Kopf allerdings nur um 20 Prozent.

Afrikas Volkswirtschaften müssten für ein besseres Investitionsklima sorgen – bisher fließt die Masse ausländischer Investitionen in die Rohstoffausbeute – und sie müssten sich in die globale Wertschöpfungskette eingliedern, forderte Lay. Auch sei es Aufgabe der afrikanischen Regierungen, die Qualität der Bildung zu steigern. Dass viele Staaten Afrikas die Handelsverträge „Europäische Partnerschaftsabkommen“ (EPA) nicht ratifizieren, kann Lay verstehen: „Die EU sollte Afrika mehr handelspolitischen Spielraum lassen, um den Strukturwandel zu fördern.“