Die Polizei deckt auf den Fildern Betrügereien mit Tüv-Untersuchungen auf. Das Ausmaß des Schadens ist nicht abzuschätzen. Drei Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft.

Filder - An einem Freitagnachmittag im März haben drei Autowerkstätten in Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen Besuch bekommen. Nicht von Kunden, sondern überraschenderweise von der Polizei. Die Inhaber dieser Werkstätten stehen in dringendem Verdacht, zusammen mit einem Kraftfahrzeug-Gutachter im großen Stil verkehrsunsichere Autos mit Tüv-Plaketten ausgestattet zu haben. Die Polizei hat nicht nur umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, sondern in einer Werkstatt auch drei Männer festgenommen: den 58 Jahre alten Gutachter aus dem Kreis Reutlingen sowie die 25 und 26 Jahre alten Verantwortlichen des Betriebs. Alle drei sitzen in Untersuchungshaft. Sie waren quasi auf frischer Tat ertappt worden: Der Gutachter hatte kurz zuvor drei Fahrzeugen neue Prüfplaketten zugeteilt. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Autos so verkehrsunsicher waren, dass sie keine Plakette hätten bekommen dürfen.

 

Den Festnahmen waren, wie es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft und der Polizeidirektion Esslingen vom Montag heißt, langwierige intensive Ermittlungen der Kriminalpolizei vorausgegangen. Der 58-Jährige wird verdächtigt, als Kfz-Gutachter trotz erheblicher Fahrzeugmängel positive Prüfberichte ausgestellt und Prüfplaketten zugeteilt zu haben. Er habe dazu mehrmals in der Woche verschiedenen Werkstätten im Kreis aufgesucht. In den Betrieben, die laut Polizei zum Teil nicht einmal für Hauptuntersuchungen ausgestattet waren, fertigte der 58-Jährige mit Wissen der Werkstattverantwortlichen in kürzester Zeit jeweils bis zu zehn Autos ab. Für die falschen Berichte wurde der Gutachter von den Werkstattbetreibern oder deren Kunden bezahlt. Offenbar ein florierendes Geschäft: Pro Fall soll er zwischen 70 und 150 Euro kassiert haben.

100 000 Euro sichergestellt

Die Ermittler gehen davon aus, dass der Sachverständige in den vergangenen beiden Jahren mehrere Hundert falsche Prüfbescheinigungen ausgestellt hat. In seinem Auto haben die Ermittler am Freitag mehr als 100 000 Euro sichergestellt. Der 58-Jährige habe während seiner Vernehmung zugegeben, dass es sich um den Erlös aus seiner Prüftätigkeit handelt, berichtet die Polizei, die sich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht näher zum Standort der durchsuchten Betriebe äußern will. In den Werkstätten beschlagnahmten die Ermittler Computer, Unterlagen sowie weitere Beweismittel. Gegen den Sachverständigen wurde ein Verfahren wegen Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall und Falschbeurkundung im Amt eingeleitet. Die beiden Werkstattbetreiber müssen sich wegen Bestechung in besonders schwerem Fall und Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt verantworten.

Mit unsicheren Autos unterwegs

„Wir können uns das Ausmaß des Falles zurzeit noch gar nicht vorstellen“, sagte am Montag eine Polizeisprecherin. Gegen die Inhaber der anderen beiden Werkstätten werde ermittelt. Ob weitere Betriebe mit dem Gutachter kooperiert hätten, müssten die Vernehmungen ergeben. Gesucht werde auch nach Personen, die ihr Auto durch Plakettenbetrug künstlich aufgewertet haben. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass zahlreiche verkehrsunsichere Autos mit gültigen Prüfplaketten unterwegs sind. Halter dieser Fahrzeuge werden je nach Ermittlungsstand umgehend informiert.