Nach Edvin Novalic steht inzwischen auch Lutz Beier unter Betrugsverdacht, der ehemalige Finanzchef des Pleiteunternehmens EN Storage.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Dass Edvin Novalic derzeit nicht in seinem Haus lebt, ist längst amtsoffiziell. Bereits am 8. März hatte das Amtsgericht Stuttgart in einer Bekanntmachung zum Insolvenzverfahren die neue Adresse des einstigen Geschäftsführers von EN Storage vermerkt: Justizvollzugsanstalt Stuttgart, Asperger Straße 60. Obwohl Novalic bereits im Februar verhaftet wurde, wollte die Staatsanwaltschaft diese Information bisher nicht preisgeben.

 

Inzwischen ist auch der zweite EN-Geschäftsführer nicht mehr in seinem Heim anzutreffen, einem Anwesen am Rande Herrenbergs. Auf dem metallenen Klingelschild dort ist unter dem Namen Beier nach wie vor EN Storage eingraviert. Lutz Beier ist bis auf Weiteres aber ebenfalls nur in Stuttgart-Stammheim erreichbar.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt und schweigt weiterhin

Seine Verhaftung bestätigt der Staatsanwaltschafts-Sprecher Jan Holzner, ohne nähere Gründe zu nennen. „Wir haben inzwischen dringenden Tatverdacht gegen beide Geschäftsführer“, sagt Holzner. „Die Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen.“ Alle weiteren Informationen hält die Staatsanwaltschaft unverändert zurück. Darüber, warum nur Novalic verhaftet wurde, wurde monatelang gerätselt. Er war für die technische Seite der Firma zuständig, Beier für die Finanzen.

Wie berichtet, sind die Geschäftsführer des einst in Herrenberg ansässigen Unternehmens des Betrugs verdächtig. Die EN-Storage hatte offiziell ihr Geld verdient, indem sie als Dienstleister Daten speicherte. Direkt nach der Durchsuchung der Geschäftsräume hatte Beier darüber informiert, dass er die Insolvenz angemeldet habe. Der Geschäftsbetrieb wurde übergangslos eingestellt. Novalic habe „ohne mein Wissen den Großteil der Verträge und Zahlungsabläufe gefälscht“, ließ Beier damals wissen. Diese Darstellung dürfte mit der Verhaftung ins Wanken geraten.

Unabhängig vom Strafverfahren suchen Juristen nach Schuldigen

Der Insolvenzverwalter Holger Leichtle schätzt den Schaden auf 90 Millionen Euro. Der größte Teil des Geldes stammt von Anlegern. Rund 2000 Privatleute hatten darauf vertraut, mit EN-Wertpapieren Zinsen von bis zu sieben Prozent zu kassieren. Unabhängig vom Strafverfahren hat die Suche nach Schuldigen längst begonnen. Juristen verschiedener Seiten versuchen, den Schaden für ihre Mandanten zu minimieren. Für die Geprellten versuchen Rechtsanwälte, bei Finanzvermittlern Geld einzutreiben, die womöglich nicht ausreichend über die Risiken informiert haben.

Die Gegenseite, eben die Vermittler, vertritt Marc Ellerbrock von der in Markdorf ansässigen Kanzlei BEMK, deren Juristen sich auf Finanzdienstleistungen spezialisiert haben. Er sei mit nahezu allen in Kontakt, die EN-Wertpapiere empfohlen hatten, sagt Ellerbrock. Dass er Klagen gegen seine Mandanten für aussichtslos erklärt, dürfte wenig überraschen. „Die meisten werden das aus ihrem Privatvermögen zahlen müssen“, sagt er, „dann ist spätestens nach zwei, drei Kunden Schluss“.

Die Vermittler hätten sich auf Testate von Wirtschaftsprüfern verlassen, die bestätigt hatten, dass das Anlegergeld in den Kauf von Datenspeichern fließt. Sie seien selbst getäuscht worden, „teilweise auf ganz perfide Art“, sagt Ellerbrock. Die EN Storage habe neue Interessenten mit der Begründung vertröstet, derzeit seien ihre Wertpapiere ausverkauft.

Details zu den tatsächlichen Finanzen des Pleite-Unternehmens werden wohl erst im nächsten Monat bekannt werden. Am 28. Juni hat der Insolvenzverwalter einen Teil der Geschädigten zu einer Versammlung eingeladen. Einen Monat später will das Insolvenzgericht informieren.