Bettina Wilhelm wagt nach einer Niederlage als grün-rote OB-Kandidatin in Aalen 2005 eine Bewerbung um den Chefsessel im Stuttgarter Rathaus. Der selbstbewussten Kandidatin der SPD liegt vor allem das Soziale am Herzen.

Stuttgart - Die SPD-Kandidatin für die Stuttgarter OB-Wahl, Bettina Wilhelm (parteilos), peilt für 2016 eine Versorgungsquote für die Kleinkindbetreuung von mindestens 75 Prozent an. „Da haben wir Nachholbedarf in Stuttgart“, sagte Wilhelm im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Die bisherige Zielmarke von 46 Prozent in vier Jahren sei zu wenig ehrgeizig. Ebenso liege ihr der Ausbau von Ganztagesplätzen und in Kindergärten und von Ganztagsschulen am Herzen, fügte die erste Bürgermeisterin von Schwäbisch Hall hinzu. Das Ziel Stuttgarts, kinderfreundlichste Großstadt Deutschlands zu sein, sei zwar gut, aber noch lange nicht erreicht. Eine verbesserte Betreuung ist nur ein Mosaikstein in ihrer Vision von der sozial gestalteten Stadt.

 

Der Mangel an Flächen und Fachkräften sei das größte Hindernis beim Ausbau der Kleinkindbetreuung, sagte Wilhelm. „Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, unqualifizierte Mitarbeiterinnen statt Fachkräften in Kitas einzusetzen“, sagte Wilhelm mit Blick auf einen Vorschlag von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Ein solcher „Paradigmenwechsel“ widerspreche dem Bildungsanspruch in den Kindergärten. Sie setze auf die neue dualorientierte Erzieherinnenausbildung mit Ausbildungsvergütung und attraktiveren Rahmenbedingungen. „Ein erster Schritt wäre, die Einkommensunterschiede zwischen Erst- und Zweitkraft auszugleichen.“ Auch bei der Gestaltung der Arbeitszeit müssten Anreize wie Lebensarbeitskonten geboten werden.

Kuhn hält Wilhelm für den gefährlichsten Konkurrenten

Im Fall ihrer Wahl wäre Wilhelm eine der wenigen Rathauschefinnen in einer Landeshauptstadt. Derzeit sind dies Angelika Gramkow (Die Linke) in Schwerin, Helma Orosz (CDU) in Saarbrücken sowie Charlotte Britz (SPD) in Dresden. Als ein Vorbild nennt die Mutter zweier erwachsener Töchter den Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD), der die Menschen begeistern könne und klare unabhängige Standpunkte vertrete.

Wilhelm will vor allem die Aufenthaltsqualität in der Stadt verbessern und sich um die Nahversorgung in den 23 Stadtbezirken kümmern. Dabei gehe es um eine menschenfreundlichere Gestaltung von Plätzen, eine Öffnung von Schulhöfen auch nachmittags und Barrierefreiheit für ältere Menschen. Dabei verfolge sie einen pragmatischen Ansatz. „Ich kann mir vorstellen, auch mobile Gartenmöbel zu verwenden, die die Bürger nach ihrem Gusto auf Plätzen aufstellen können.“ Um die Handelsstruktur in den Stadtteilen zu verbessern, müssten mehr Quartiersmanager eingestellt werden.

Stuttgart 21 sei für sie eine große Stadtentwicklungschance

Den Grünen-OB-Kandidaten Fritz Kuhn hält die 47-Jährige für den gefährlichsten Konkurrenten. „Wir fischen zum Teil im gleichen Teich.“ Sie peile die gesellschaftliche Mitte an und will auch im konservativen Lager um Stimmen werden; die eingefleischten Stuttgart-21-Gegner, die immer noch gegen das Projekt auf die Straße gehen, könne sie nicht erreichen, sagte die Kommunalpolitikerin, die bei der Volksabstimmung im vergangenen November gegen den Weiterbau des Bahnvorhabens votiert hatte.

Stuttgart 21 sei für sie eine große Stadtentwicklungschance; auf den freiwerdenden Gleisflächen könne ein Vorzeigequartier mit hervorragender Anbindung an den Nahverkehr inmitten des Parkes entstehen. Rund 80 Prozent der Bebauung müsse fürs Wohnen - Miete und Eigentum - reserviert werden. Die Bürger will sie sowohl in die Gesamtplanung als auch in die kleinräumige Konzeption einbeziehen.

Absprachen mit anderen Kandidaten vor der Wahl am 7. Oktober kommen für sie nicht in Frage. „Ich setze auf Sieg.“ Jeder kämpfe allein bis zum Wahltag. „Wenn ich dann auf die dritte Position komme, bin ich zu Gesprächen bereit.“ Dabei stünden die Inhalte und der faire Umgang im Wahlkampf im Vordergrund. 1996 hatte das Antreten des SPD-Kandidaten Rainer Brechtken im zweiten Wahlgang verhindert, dass der aussichtreichere Grünen-Kandidaten Rezzo Schlauch dem CDU-Bewerber Wolfgang Schuster knapp unterlag. Schuster will nach 16 Jahren im Amt nicht wieder antreten.