Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Der Staatsdienst bietet ja auch erhebliche Vorteile, zum Beispiel geregelte Arbeitszeiten oder Jobsicherheit. Muss das nicht mit berücksichtigt werden?
Das mit den geregelten Arbeitszeiten von 40 Stunden gilt schon lange nicht mehr. Viele meiner jungen Kolleginnen und Kollegen verbringen mindestens einen Tag des Wochenendes mit der Arbeit, oft genug auch im Gericht oder in der Staatsanwaltschaft. Die Sicherheit, insbesondere mit Blick auf Familie und Teilzeit, sowie zeitliche Flexibilität sind sicher Argumente – eine schlechte Bezahlung kann das aber nicht rechtfertigen.

Der Richterbund droht damit, die Angemessenheit der Alimentation gerichtlich prüfen zu lassen. Wann und wie machen Sie Ernst?
Aktuell ist ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig, das in diesem Herbst entschieden werden soll. Gegebenenfalls werden wir als Berufsverband Deckungsschutz für Klagen unserer Mitglieder zusagen.

Streiken dürfen Richter und Staatsanwälte ja nicht. Erwägen Sie, mit „Dienst nach Vorschrift“ zu drohen?
Ich drohe nicht. Es gibt aber Stimmen im Kollegenkreis, die das fordern und es werden mehr, auch wenn es noch nicht die Mehrheit ist.

Wie nehmen Sie die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen wahr? Leidet die Motivation bereits?
Die Motivation ist der Schlüssel für das gute Funktionieren unserer personell unter-besetzten Justiz. Und natürlich leidet die Motivation unter der schlechten Bezahlung. Wir wissen ja zum Beispiel aus den Scheidungsverfahren, was andere verdienen. Und wenn einem ständig ein Plus an Leistung abverlangt wird, man nur Sonntagsreden hört, in denen unsere Leistung gelobt und betont wird, wie wichtig wir sind, und wenn man dann gleichzeitig von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgehängt wird: Klar, dann empfinden die Kolleginnen und Kollegen das als Geringschätzung – da leidet die Motivation; Richter und Staatsanwälte sind da auch nicht anders als andere.