Warum passen zwei Menschen zueinander? In einer Serie sprechen Paare über sich. Heute: Julia Lilien Meyder und Niels Rohwer erklären, wieso sie nicht nur einen Partner haben wollen.

Tübingen - In einer kleinen Wohnung in Tübingen sitzen Julia Lilien Meyder und Niels Rohwer auf einem roten Sofa. Er hält ihre Hand und streichelt sie sanft. Rohwer ist noch mit einer anderen Frau zusammen: Christina. Die drei leben polyamor – sie haben mehrere Liebespartner.

 
Frau Meyder, Herr Rohwer, seit wann leben Sie polyamor?
Julia Lilien Meyder Praktisch seit meiner ersten festen Beziehung, die hatte ich mit 20. Ich fand es schon immer komisch, dass ich mich für einen Partner entscheiden sollte. In vielen Filmen wird das Problem thematisiert, dass man mit A zusammen ist und auf einmal B kommt, für den man auch etwas empfindet. Dabei wäre die Lösung doch so einfach: Dann hat man halt zwei Freunde.
Niels Rohwer Theoretisch beschäftige ich mich seit ungefähr vier Jahren mit Polyamorie, meine ältere Schwester hatte mir damals von dieser Beziehungsform erzählt. Ich habe dann viel darüber in Internetblogs gelesen. Anfang 2014 lernte ich Christina kennen und sagte ihr, dass ich polyamor leben will. Gut ein halbes Jahr später haben wir Lilien auf einem Polytreffen in Stuttgart kennengelernt, eine Woche später haben wir uns auf einer Party in Tübingen wieder getroffen. Einige Zeit später hatten wir eine Dreiecksbeziehung. Christina hat sich dann aber von Lilien getrennt. Es hat nicht gepasst zwischen den beiden.
Wie viele Liebesbeziehungen haben Sie zurzeit?
Niels R. Momentan bin ich nur mit Lilien und Christina zusammen.
Julia Lilien M. Ich habe neben Niels noch zwei weitere enge sowie eine lockerere Beziehung. Niels ist mein einziger Partner, der schon polyamor war, als ich ihn kennenlernte. Die anderen habe ich überzeugt.
Warum leben Sie polyamor?
Niels R. Für mich ist Polyamorie eine gelebte Form von Freiheit. Die ganzen Beschränkungen einer monogamen Beziehung würden mich unglücklich machen – diese unhinterfragten Grenzen. Ich könnte zum Beispiel meinen Gefühlen, wenn ich mich in jemanden verliebe, nicht unschuldig nachgehen.
Julia Lilien M. Natürlich ist es nicht für jeden der richtige Weg, polyamor zu leben.
Niels R. Monogamie ist nicht per se falsch. Für mich ist es aber ein Problem, wenn Menschen nur deswegen bloß einen Partner haben, weil sich das aufgrund unserer gesellschaftlichen Normen so gehört. Monogamie ist aber völlig okay, wenn eine bewusste Entscheidung für diesen einen Partner getroffen wurde.
Julia Lilien M. Jeder Mensch sollte seine Möglichkeiten kennen und wissen, dass eine Option das Polyamore ist. Es könnte vielen Leuten helfen, wenn sie mal darüber nachdenken würden, ob sie mit dem monogamen Beziehungsbild glücklich sind. Für diejenigen, die sich fühlen, als würden sie in einer Zwangsjacke stecken, kann eine Umorientierung viele Probleme lösen. Ich kenne auch Paare, bei denen das Bedürfnis, etwas mit anderen anzufangen, weggegangen ist, als sie entschieden hatten, dass sie ihre Beziehung öffnen.