Der Bezirksbeirat Nord will die Wagenhallen unbedingt erhalten. Allerdings nicht in der Form, die die Stadtverwaltung vorschlägt: Die geplante Konzerthalle für 2100 Besucher sei zu groß für die zukünftige Wohnbebauung dort, kritisieren die Räte.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord - Bereits 2013, und auch jetzt wieder, hat der Bezirksbeirat Nord ganz eindeutig zu Protokoll gegeben, dass das Gremium die Wagenhallen erhalten will. „Damit aus dem Wohngebiet kein Retortenwohngebiet wird“, so formulierte es Sebastian Sage (SPD). Damit bezieht er sich auf das künftige neue Wohngebiet Rosenstein, das nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 und dem Abbau der Gleise rund um die Wagenhallen entstehen wird. „Das Ziel war aber nicht, die Wagenhallen zu erhalten, um dort Remmidemmi zu machen“, fuhr Sage fort. Auch Timo Haug (CDU) meinte: „Eine Wohnbebauung kann so nicht stattfinden, aufgrund des Lärms.“

 

Auslöser für diese Aussagen waren die Pläne der Stadtverwaltung, wie die Wagenhallen entwickelt und saniert werden sollen. Wie Peter Holzer vom Hochbauamt und Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften und Wohnen mitteilten, sieht die aktuelle Konzeptstudie eine Ausweitung des Atelier- und Werkstattbereichs vor, sowie eine Veranstaltungsstätte für bis zu 2100 Stehplätze in der Summe aller Räume. Dringend notwendig sei eine selbsttragende Brandwand zwischen Veranstaltungs – und Atelierbereich, erklärte Holzer: „Wir brauchen eine saubere Trennung, aus Brandschutz- und Schallschutzgründen.“ Die Standsicherheit des Dachtragswerks muss nachgewiesen werden, außerdem ist ein neues Dach notwendig, beziehungsweise eine neue, leichte „Dachhaut“.

Was den Schallschutz zur zukünftigen und bestehenden Wohnbebauung allerdings angeht, so sei das nächtliche Wegfahren der Besucherautos der kritische Punkt: „Selbst mit Brandwand und neuem Dach ist der Lärmschall von den Veranstaltungen nur geringfügig besser“, erklärte Holzer. Der werde eben hauptsächlich von den vielen Autos erzeugt, die nach einer Veranstaltung das Gelände verlassen. Eine Simulation habe aber gezeigt: „Wenn die Fahrzeuge nicht in die Tiefe des Grundstücks vordringen, sondern gleich an der Einfahrt, also im Bereich Pragfriedhof/Berufsschulzentrum parken, dann gibt es eine extreme Verbesserung“, so Holzer. Die dazu notwendige Tiefgarage sei aber bisher noch nicht eingeplant. Auch eine Pufferbebauung zur Abschirmung sei denkbar. Laut dieser Planung sollen die Wagenhallen lediglich über die Heilbronner Straße und Hedwig-Dohm-Straße anfahrbar sein, nicht mehr über das Kopfsteinpflaster der Otto-Umfrid-Straße, was zumindest eine Erleichterung der Anwohner bedeuten wird.

Die Tiefgarage ist in den Kosten nicht eingerechnet

Die grobe Kostenprognose beträgt rund 30 Millionen Euro. Darin eingeschlossen sind die Kosten für ein Interimsquartier für die Künstler, denn während der Bauzeit müssen die Wagenhallen geschlossen werden. Nicht enthalten in der Summe ist die Tiefgarage oder andere Parkmöglichkeiten für Besucher, sowie eine eventuelle Altlastenentsorgung.

„Der Charakter der Wagenhallen soll nicht verändert werden“, fand Ralph Wöhrle (Grüne). Der Lärm mache ihm allerdings Sorgen. Sein Parteikollege Christian Lohr hielt die Pläne sogar für ein „grausiges Szenario“: „Sind die Wagenhallen mit der Trennwand noch als Wagenhallen erkennbar?“ Axel Alt (SPD) kritisierte, dass die Wohnbebauung im Bereich Heilbronner Straße/Eckartshaldenweg/Mönchhaldenstraße, also Richtung Killesberg, nicht beachtet worden sei, lediglich das Nordbahnhofviertel. Hans-Christian Wieder (CDU) wurde noch konkreter: „Nehmen Sie Abstand von einem Veranstaltungsort von dieser Größe, das geht hier nicht. Mit diesem Konzept können Sie nur eine Abfuhr bekommen!“

Timo Haug erkundigte sich, ob eine Nutzung der Wagenhallen ohne den Veranstaltungsbetrieb, also nur mit einer Belegung durch Ateliers und Werkstätten, auch möglich sei. Peter Holzer bejahte dies, allerdings sei bisher ein Mischbetrieb erwünscht gewesen. Doch auch im reinen Atelierbetrieb seien die Sanierung und die Statikarbeiten notwendig, gab er zu bedenken. Zudem erinnerten Holzer und Wolf beide daran, dass die vorgestellten Pläne lediglich ein erstes Konzept darstellten, ob und wie die Sanierung überhaupt möglich sei. Die Entwurfsplanung stehe noch aus.

Genau da machte Sebastian Sage das eigentliche Problem aus. „Sie zäumen das Pferd von hinten auf“, sagte er. „Wir wollen die Wagenhallen erhalten, aber nicht mit der Prämisse, unter 2100 Personen geht nichts. Das wäre das Ende der Wagenhallen, und das wollen wir nicht.“ Der Wohnbebauung müsse sich alles andere an den Wagenhallen unterordnen, nicht umgekehrt: „Die Größe muss sich aus Umgebung und Wohngebiet ergeben.“ Eine Pufferbebauung zur Abschirmung des Lärms wolle der Bezirksbeirat nicht.

Bezirksbeirat musste Beschluss fällen

Ein Beschluss des Gremiums war in dieser Sitzung notwendig, da am 16. Juli eine Entscheidung im Gemeinderat ansteht. Ohne diesen Grundsatzbeschluss müssten die Wagenhallen zum Jahresende den Betrieb einstellen, da die Brandschutzgutachter den Betrieb nur dann weiter erlauben, wenn es einen politischen Beschluss gibt, was überhaupt geschehen soll. Die nötigen Finanzmittel müssen dann in den Haushaltsberatungen beschlossen werden. Dem Bezirksbeirat Nord blieb also nichts übrig, als sich nach fast zweistündiger Diskussion zu einer Entscheidung durchzuringen. Die lautete schließlich so: Das Gremium stimmte dem Vorschlag der Verwaltung schließlich zu, allerdings unter der Maßgabe, „dass die maximal mögliche Personenzahl des Veranstaltungsteils nicht Vorgabe der Planung wird, sondern sich aus den Möglichkeiten der Wagenhallen und ihrer jetzigen und zukünftigen Umgebung als allgemeines Wohngebiet ergibt“.

Zusätzlich verabschiedet wurde ein Antrag der SPD-Fraktion, der erneut betonte, dass der Stadtbezirk an dieser Stelle nach der Ansiedlung von fünf Berufsschulen dort „keine weitere Berufsschule braucht, die abends und am Wochenende menschenleer verwaist“. Außerdem solle die Verwaltung prüfen, ob die Unterbringung eines Bürgerhauses an den Wagenhallen möglich ist, als Alternative zum Standort auf dem Betriebshof der Abfallwirtschaft an der Türlenstraße. „Wenn es darum geht, die Nutzung der Wagenhallen mit dem angestrebten Charakter des Wohnviertels in Einklang zu bringen“, heißt es im Antrag, „treffen sich die Interessen des Stadtbezirks Stuttgart-Nord mit den Interessen der in den Wagenhallen arbeitenden Künstlern, die Wagenhallen nicht einseitig zu dem in Stuttgart fehlenden Zentrum für Musikveranstaltungen umzubauen.“