Die CDU im Bezirksbeirat Mitte will die Rechtslage zu Bordellen im Leonhardsviertel verstehen und hat deshalb entsprechende Fragen an die Stadtverwaltung gestellt. Doch mit den Antworten ist das so eine Sache . . .

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Das Ansinnen klingt unschuldig: „Wir wollen nur gern die Rechtslage verstehen“, sagt Andreas Müller, Er ist Sprecher der CDU im Bezirksbeirat. Gemeint ist die Rechtslage im Leonhardsviertel, genauer: Die Frage, welche Bordelle dort möglicherweise legal oder illegal betrieben werden. Fünf Fragen an die Stadtverwaltung hatten die Christdemokraten dazu als Antrag eingereicht. Zwei blieben davon per Mehrheitsbeschluss nach der Debatte der Lokalpolitiker übrig.

 

Erstens: Wie viele Rotlichtbetriebe gibt es im Leonhardsviertel und seit wann? Zweitens: Welche anderen Betriebe sind aufgegeben worden, damit die unter erstens aufgelisteten eröffnen durften? Diese Bedingung zählt zu den Grundregeln im Rathaus im Umgang mit dem Milieu, jedenfalls in der Theorie. „Mir ist nicht mehr klar, wie die Stadt mit den Betrieben umgeht“, sagt Müller. Da ist er nicht der einzige, denn die Rechtslage zu verstehen, scheint zumindest für Laien unmöglich. Was sich schon am Adressaten des CDU-Antrags offenbart, beantworten soll die Fragen das Ordnungsamt. Zuständig ist allerdings das Baurechtsamt.

Klagefreudige Rotlichtbranche

Die Rotlichtbranche ist zahlungskräftig und entsprechend klagefreudig, was zahllose Gerichtsurteile bundesweit belegen. Allerdings taugen sie allesamt schwerlich, die Rechtslage zu erhellen, denn die einzige Konstante in den Richtersprüchen sind die Widersprüche. So urteilte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, dass Bordelle schon in gemischten Wohn- und Gewerbegebieten stören und dort unzulässig sind. Hingegen erklärten Kollegen in Berlin, dass 30 Prostituierte im Erdgeschoss eines Wohnhauses keinen Anlass zur Beschwerde geben. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe legalisierte einen ungenehmigten FKK-Club nachträglich. Und das Bundesverwaltungsgericht ließ weite Spielräume. Es urteilte, dass Hauseigentümer grundsätzlich an Bordellbetreiber vermieten dürfen, aber nicht jedes Haus.

Was verwirrend erscheinen mag, aber am ehesten als Richtlinie taugt, denn jeder Fall ist ein Einzelfall und der Ausgang ungewiss. Was auch die Stadt Stuttgart schon erfuhr und womöglich am 20. April erneut erfahren wird. An dem wird in zweiter Instanz ein Kuriosum verhandelt. In Wohnungen am Neckartor schaffen seit Jahren Frauen an, derzeit zehn – laut Stadt illegal. Der Betreiber will das gesamte Haus einschlägig nutzen und verklagte die Stadt auf Genehmigung. Die versagten die Richter in erster Instanz zwar, verboten den seitherigen Betrieb aber nicht. Dies unter anderem, weil in nächster Nähe vier weitere Bordelle zu finden sind, ebenfalls illegale.

Das Rathaus reagiert empfindlich

Auf Fragen nach dem Leonhardsviertel wird im Rathaus empfindlich reagiert, seit Oberbürgermeister Fritz Kuhn das Zurückdrängen der Prostitution dort zur Chefsache erklärt hat. In dem Fragenkatalog der CDU „sehe ich ein bisschen ein Übergabeproblem“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle – von den alten Beiräten an ihre Nachfolger. Alle Fragen seien im Gremium schon einmal beantwortet worden.

Allerdings hätte auch eine gewissenhafte Übergabe die Rechtslage nicht endgültig erhellt. Die Lokalpolitiker wechselten nach der Kommunalwahl 2014. Seither hat sich zwar nicht die Rechtsprechung, wohl aber die Rechtsauffassung der Stadt geändert. Sie geht inzwischen auch gegen Bordelle vor, die jahrzehntelang als Altbestand geduldet waren, weil ein Versuch der Schließung als juristisch aussichtslos galt.

Vergessener Runder Tisch

Die betroffenen Betreiber werden wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass sämtliche Fraktionen im Bezirksbeirat der Branche das Dasein im Leonhardsviertel gönnen – in welchem Ausmaß ist offen. Über die Pläne der Stadt „prinzipielle Klarheit einzufordern, ist richtig“, sagt der Sozialdemokrat Heinrich Huth, der in dem Viertel lebt.

Dieser Satz gilt für alle Fraktionen. Das Thema soll zumindest teilweise beim sogenannten Runden Tisch Leonhardsviertel erklärt werden. Der ist einst gegründet worden, damit Hauseigentümer, Mieter, Gastronomen und Bordellbetreiber sich verständigen. Allerdings scheint dieses Ansinnen ein wenig in Vergessenheit geraten. Zum letzten Mal traf sich die Runde im Jahr 2013.