Simon Schempp aus Uhingen ist in der Form seines Lebens. Sechsmal in Folge hat der Biathlet zuletzt das Podium erreicht. „So einen Lauf habe ich in meiner Karriere noch nicht gehabt“, sagt der 26-Jährige.

Antholz - Die Sonne lugte schon wieder vorsichtig hervor, als Simon Schempp am Sonntag um die Mittagszeit zur Arbeit glitt. Bei seinem Mitstreiter Erik Lesser, Startläufer der deutschen Staffel, hatte sich das Antholzer Tal noch ungewohnt wolkenverhangen präsentiert. In den Etappen von Daniel Böhm und Arnd Peiffer klarte der Himmel über den Dreitausendern der Rieserfernergruppe immer mehr auf – als wolle der zuständige Wettergott die Bühne für die nächste große Show des Simon Schempp herrichten. Für den Sieger der beiden Antholzer Einzelrennen – der seinen Südtiroler Hattrick dann aber um 16,4 Sekunden verpasste.

 

Dabei war der rote Teppich für den blonden Schwaben vor dem zweiten Platz des DSV-Quartetts fein ausgerollt: Teamkollege Peiffer schickte Schempp mit Minimalrückstand auf den Norweger Emil Hegle Svendsen auf die Strecke – doch beim letzten Schießen trumpfte der Skandinavier dann groß auf, Schempp dagegen benötigte zwei Nachlader. Der gebürtige Mutlanger musste sich so auf der letzten Schleife damit begnügen, den Silber-Platz der DSV-Staffel gegen Franzosen, Österreicher und Russen abzusichern. „In der zweiten Runde habe ich relativ viel investiert, um näher heranzukommen und so Druck ausüben zu können. Er war unheimlich schnell und stark am Schießstand. Also hab‘ ich auch was riskiert – und das ist nicht aufgegangen“, sagte der 26-Jährige zum Showdown mit Svendsen, gegen den er schon bei der Staffel in Ruhpolding das Nachsehen hatte.

Früher blieb er oft zweiter Sieger

Ansonsten aber ist der Mann von der Ski-Zunft Uhingen der Skijäger-Elite momentan stets eine Nasenlänge voraus. Mindestens. Inklusive dem Massenstart von Ruhpolding hat Schempp die letzten drei Einzelrennen gewonnen, mit der Verfolgung am Samstag als ultimativem dramaturgischem Höhepunkt. Der Cheftrainer Mark Kirchner, normalerweise ein durch und durch sachlicher, kontrollierter Zeitgenosse, sprang unter dem Antholzer Postkartenpanorama wie ein Schuljunge beim Gang in die Sommerferien durch den Zielraum – nachdem Schempp vor 20 000 Zuschauern in einem atemberaubenden Vierer-Endspurt hauchdünn vor dem Österreicher Simon Eder triumphiert hatte.

Ähnliches gelang ihm schon sechs Tage zuvor beim Heimweltcup in Oberbayern, dort stieb er dem Franzosen Quentin Fillon Maillet und dem Tschechen Michal Slesingr die entscheidenden Zentimeter davon. Früher blieb er in vergleichbaren Situationen oft zweiter Sieger, inzwischen kommentiert Schempp seine Erfolge grinsend: „Ich lerne ja dazu, das macht Spaß.“

Simon Schempp ist auf den Spuren von Michael Greis

Im Gesamtweltcup liegt Schempp hinter Martin Fourcade bereits auf Rang zwei. „So einen Lauf“, spendet sich der Wahl-Ruhpoldinger selbst Beifall, „habe ich in meiner Karriere noch nicht gehabt.“ Monsieur Fourcade, in den Antholzer Einzelrennen 25. und Fünfter, ist er im Klassement mittlerweile bis auf 23 Punkte auf die Pelle gerückt. Für den seit Jahren dominierenden Franzosen Grund genug, auf den Staffelstart am Sonntag zu verzichten und sich voll auf seine Solo-Auftritte mit Ski und Gewehr zu konzentrieren. Eine große Genugtuung für Schempp, der mit – inklusive Staffeln – sechs Podestplätzen in Serie gerade das geschafft hat, was zuletzt dem Turiner Dreifach-Olympiasieger Michael Greis vor sieben Jahren gelang.

Die Wurzel seines sportlichen Glücks hat der Ex-Freund der Biathletin Miriam Gössner dabei in der Anlage am Fuße des Staller Sattels ausgemacht. Dort feierte Schempp, der 2009 sein Debüt in der Biathlon-Elite beging, vor einem Jahr seine ersten beiden Weltcupsiege. Inzwischen hat er die Quote auf fünf Erfolge ausgebaut, vier davon genehmigte er sich auf seinem persönlichen Leib- und Magenkurs in Antholz. „Seit den Siegen hier im letzten Jahr“, sagt Simon Schempp, „habe ich die Gewissheit, an einem perfekten Tag auch bei einem Großereignis ganz vorne reinlaufen zu können.“ Klingt nach gezielten Großtaten – bei der WM im März in Finnland.