In der Debatte um die Ballsporthalle gelten vier Gemeinderatsmitglieder als befangen. Nicht jeder akzeptiert das.

Bietigheim-Bissingen - Es war eine symbolische Geste mit Wirkung: Bei seiner Haushaltsrede trat der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Steffen Merkle, vom Rednerpult zurück und übergab seiner Fraktionskollegin Ute Epple das Wort – „um den Verdacht einer Befangenheit meinerseits schon gar nicht aufkommen zu lassen“, wie er sagte. Epple sprach über die geplante Ballsporthalle, ehe Merkle wieder für das Schlusswort übernahm. Der Grund: Seit Monaten schwelt ein Streit um dieses Thema im Gemeinderat. Er könnte vor dem Verwaltungsgericht landen.

 

„Ich wollte damit überspitzt darstellen, wie verwirrend und grotesk diese Befangenheitsdiskussion bei uns geführt wird“, erklärt Merkle. Er sei seit zehn Jahren im Gemeinderat, aber einen solchen „Befangenheitswahn“ habe er noch nie erlebt.

Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Ballsporthalle. Einige Tage, bevor über das umstrittene Projekt debattiert werden sollte, wurden vier Gemeinderatsmitglieder von der Verwaltung informiert, dass sie befangen seien und deswegen nicht an den Beratungen teilnehmen dürften. Die vier Betroffenen legten Widerspruch ein, sodass der Tagesordnungspunkt auf diesen Dienstag verschoben werden musste.

Der Streit trübt das Klima im Gemeinderat

Es geht um folgende Gemeinderatsmitglieder: Günter Krähling (SPD), der Vorsitzende des TSV Bietigheim, der wiederum einer von drei Vereinen ist, die in der Spielgemeinschaft (SG) Bietigheim sind. Claus Stöckle (CDU) war bis September Vorsitzender der SG, seitdem ist es Steffen Merkle. Auch für befangen erklärt wurde Ines Kimmich (SPD), die beim TSV im Rahmen eines dualen Studiums angestellt ist.

Wie hoch die Diskussion mittlerweile gekocht ist, konnte man auch an der Haushaltsrede von Traute Theurer (Grün-Alternative Liste) erkennen. Hinter der Kritik der Befangenen stecke „Angst vor dem Machtverlust und davor, die Entscheidung nicht mehr mitbestimmen zu können“. Dieses Verhalten sei „nicht tolerabel und trübt das Klima im Gemeinderat“.

Während Kimmich, Krähling und Merkle ihre Befangenheit in Sachen Ballsporthalle akzeptiert haben, ist für Claus Stöckle die Sache noch nicht vom Tisch. Für diese Gemeinderatssitzung nehme er das Urteil der Verwaltung vorläufig hin, sagt er. Aber seine Fraktion überlege, ob sie rechtliche Schritte einleiten und vors Verwaltungsgericht ziehen wolle. Aus seiner Sicht ist seine Befangenheit mit dem Ende seiner Zeit als SG-Vorsitzender erloschen.

Ein Rechtsexperte musste klären

Die Stadt hat zur Klärung einen Rechtsexperten eingeschaltet. Die Verwaltung und dieser Experte argumentieren, dass Stöckle zu seiner Zeit als Vorsitzender für das Projekt „in anderer als öffentlicher Eigenschaft tätig geworden“ sei – und das führt laut Gemeindeordnung zur Befangenheit. Stöckle hingegen vermutet, dass die Verwaltung mit ihrer Vorgehensweise „gewisse Intentionen“ verfolge. „Da werden vier Befürworter rausgekegelt“, sagt er.

Der Oberbürgermeister Jürgen Kessing (SPD) hatte sich bei der Einbringung des Haushalts gegen den Bau der Halle in den nächsten fünf bis sieben Jahren ausgesprochen. An diesem Dienstag soll im Gemeinderat über das weitere Vorgehen entschieden werden. Es ist zu erwarten, dass das Projekt beerdigt oder auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Zum einen fehlen in der Beratung die vier erwähnten Befürworter. Zum anderen hat ein neues Gutachten die erwarteten Kosten der Halle um 2,5 Millionen Euro steigen lassen (siehe Infobox).

Bernd Aker hat den Gemeinderat unlängst über die juristische Dimension der Befangenheit informiert – im Auftrag der Stadt. Aker ist Verwaltungsrechtler und ehemaliger stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Städtetags, er berät viele Gemeinden, gerade auch in Sachen Befangenheit. Von ihm stammt unter anderen der Kommentar des entsprechenden Paragrafen der baden-württembergischen Gemeindeordnung. „Diejenigen, die ein bestimmtes Projekt wollen, müssten eigentlich das größte Interesse daran haben, dass das Projekt wegen einer Formalie nicht in die Luft geht“, sagt er. Denn wenn ein Gericht nach einem Gemeinderatsbeschluss feststelle, dass Abstimmende befangen waren, wäre der ganze Beschluss rechtswidrig. Der Ausschluss wegen Befangenheit sei demnach keine Strafe, sagt Aker, sondern eine formale „Risikominimierung“ vonseiten der Verwaltung.

Was die Gemeinderatssitzung an diesem Dienstag angeht, scheint der Streit vorerst beigelegt. Unter vorgehaltener Hand sagt manch Gemeinderat jedoch, dass die Atmosphäre im Gremium im Zuge dieser Diskussion nachhaltig schlechter geworden sei. Man schaue jetzt auch bei anderen Themen zwei Mal hin, ob jemand befangen sei oder nicht.