Der Eishockey-Coach Kevin Gaudet lässt die Steelers seit seinem Amtsantritt in Bietigheim vor fast drei Jahren offensiv spielen und hat damit Erfolg. Dank dem Kanadier erlebt der Tabellenführer der DEL 2 die beste Zeit seiner Vereinsgeschichte.

Bietigheim-Bissingen - Come on“, fletscht Kevin Gaudet vor sich hin, die Zähne zusammengebissen. Auf geht’s! Der kanadische Trainer der Bietigheim-Bissingen Steelers wirkt aus der Ferne emotionslos, weil für ihn Gestik kaum eine Rolle spielt. Aber die Mimik spricht Bände. Aus der Nähe betracht, wenn man direkt hinter der Spielerbank steht, zeigt sie sich in jeder Sekunde des Spiels. Hier unten, wo der Schweißgeruch steht, wo ein Kommen und Gehen von ein- und ausgewechselten Spielern herrscht, wo Kevin Gaudet nicht einmal einen Sitzplatz hat – hier ist er am liebsten.

 

Rückblick. Der 25. November 2011 ist der Glückstag der jüngeren Geschichte des Eishockey-Zweitligisten SC Bietigheim-Bissingen. Es ist der Tag, an dem die Verpflichtung Kevin Gaudets als neuem Cheftrainer bekanntgegeben wird. Der Club steht im unteren Tabellenabschnitt, ein Abstieg scheint möglich. Nicht mit dem eishockeybesessenen Kevin Gaudet. Binnen weniger Monate formt der Kanadier eine Mannschaft, die für die erfolgreichste Vereinsära der Steelers steht.

Seit Gaudets Amtsantritt gewannen die Bietigheimer zweimal den DEB-Pokal, einmal die Zweitligameisterschaft und wurden einmal Vizemeister. In den zwei Spielzeiten, in denen er das Team durchgehend betreute, hatten die Steelers darüber hinaus jeweils die beste Offensive der Liga.

Zehn Punkte Vorsprung an der Tabellenspitze

Das gilt auch für diese Saison, denn auch in dieser Runde treffen sie am häufigsten von allen 14 Teams (64 Tore in 14 Spielen, acht mehr als die zweitbeste Offensive) in der DEL 2. „Das ist mein Stil“, sagt Kevin Gaudet, „auch wenn man nicht immer so erfolgreich spielen kann, wie wir zurzeit. Ich will wenigstens, dass meine Mannschaft attraktives Eishockey bietet.“

Bisher klappt das mit dem Erfolgreichsein aber mindestens genauso gut wie das Toreschießen. Zehn Punkte liegen die Steelers vor dem Zweitplatzierten Starbulls Rosenheim. „Ich bin seit 24 Jahren Trainer und hatte noch nie einen so großen Vorsprung“, sagt Gaudet. Dass das aber auch ein Nachteil sein kann, zeigte das jüngste Heimspiel gegen den Aufsteiger Frankfurter Löwen. Einen 2:0-Vorsprung gaben die Steelers ab und retteten sich in die Verlängerung, in der ihnen dann noch der 3:2-Sieg gelang.

Der kanadische Trainer war nach dem Spiel stinksauer: „Wir haben zu arrogant gespielt, so etwas will ich nicht haben. Wir hatten zwischendurch Hirnfürze, die nicht zu entschuldigen sind.“ Gaudet, der sich sonst gewählt ausdrückt, zeigte verbal, wie sehr er diese Überheblichkeit seiner Mannschaft verabscheut. Am Sonntag zeigte die Mannschaft eine positive Reaktion auf den Wutausbruch und gewann in Kassel mit 5:2.

Viel Lob vom DEL-2-Geschäftsführer

Kevin Gaudet steht für seinen ganz eigenen Stil, und da passen solche Unzulänglichkeiten wie am vergangenen Freitag eigentlich überhaupt nicht hinein. Der Kanadier legt Wert auf Disziplin, auf Teamfähigkeit und auf ein gutes Auftreten seiner Spieler – auf und abseits der Eisfläche. Auch deshalb ist es dem 50-Jährigen gelungen, in Bietigheim aus begrenzten Mitteln einen Tabellenführer zu formen. „Eigentlich ist das gar nicht möglich, aber meine Spieler zeigen es der Eishockeywelt, dass es doch geht: Es ist nicht immer so, dass Geld Tore schießt“, sagt Gaudet mit Stolz in der Stimme. Ein Konsolidierungskurs zwingt die Steelers zu einem sparsamem Handeln bei Neuverpflichtungen.

Auch wenn die Bietigheimer zurzeit das erfolgreichste Eishockey in der DEL 2 spielen, steht ein Aufstieg nicht zur Debatte. Das betont auch der Geschäftsführer der Liga, René Rudorisch, der beim jüngsten Heimspiel zu den 2345 Zuschauern zählte. „Unser Ziel ist unbedingt einen sportlichen Auf- und Abstieg einzuführen. Das kann aber noch ein bis drei Jahre dauern, weil wir dafür sorgen müssen, dass die DEL-2-Clubs im Fall eines Aufstiegs in der DEL auch überlebensfähig sind“, sagt Rudorisch. Er macht den Steelers Hoffnung: „Bietigheim ist ein Aushängeschild dieser Liga, nicht nur wegen der sportlichen Erfolge in den vergangenen Jahren. Die Vereinsarbeit, die hier betrieben wird, die Arena, das Umfeld ist hoch professionell.“

Daran hat auch Kevin Gaudet einen großen Anteil. Seine Arbeit hat Strahlkraft, das zeigt der Dauerkartenverkauf vor der Saison, bei dem 35 Prozent mehr Tickets verkauft wurden als noch im Vorjahr. „Die Leistungen, die Bietigheim zurzeit zeigt, hätten auch 1000 Zuschauer mehr verdient“, sagt Rudorisch. Und Tore gibt es bei den Steelers sowieso immer zu sehen.