Der EnBW-Kauf werde die Steuerzahler keinen Cent kosten, hatte Stefan Mappus versprochen. Jetzt zeigt sich: bei der Finanzierung drohen jährlich Millionenverluste.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Stefan Mappus hatte frohe Kunde für den Steuerzahler. Der EnBW-Kauf werde ihn nicht nur „keinen Cent“ kosten, verkündete der frühere Ministerpräsident, unterm Strich könne sogar ein kleines Plus herauskommen – nämlich die Differenz zwischen der (höheren) jährlichen Dividende des Energiekonzerns und den (niedrigeren) Zinskosten für die Milliardenanleihen, mit denen das Geschäft finanziert werde.

 

Nun liegt die erste Bilanz der Neckarpri GmbH vor, über die das Land sein Aktienpaket von 46,5 Prozent hält. Und sie scheint Mappus’ Rechnung auf den ersten Blick zu  bestätigen: unter dem Abschluss des (Rumpf-)Geschäftsjahres 2011, das am 30. Juni endete, steht tatsächlich ein dreistelliger Millionenüberschuss. Doch beim zweiten und dritten Hinschauen erweist sich die schöne Zahl in mehrerlei Hinsicht als trügerisch. Schon ab dem Geschäftsjahr 2011/12 wird die Finanzierung zum vermutlich dauerhaften Minusgeschäft, und von einer Tilgung der Milliardenschulden ist ohnehin keine Rede mehr.

Ohne Milliardengarantie drohte die Überschuldung

Nur weil das Land eine Milliardengarantie für die EnBW-Aktien übernommen hat, ist die Neckarpri GmbH nicht völlig überschuldet. Zum Bilanzstichtag Ende Juni wurde der Wert des Pakets von Wirtschaftsprüfern nach den internationalen Rechnungslegungsregeln IFRS auf etwa 3,8 Milliarden Euro taxiert – rund eine Milliarde weniger als der Anschaffungspreis. 41,50 Euro je Aktie hatte Mappus im Dezember 2010 ausgehandelt, nur noch knapp 33 Euro war sie ein gutes halbes Jahr später wert, nach Fukushima und der beschleunigten deutschen Energiewende. Würde die Neckarpri die Aktien verkaufen, müsste der Staat stets für die Differenz aufkommen – im Extremfall bis zu rund fünf Milliarden Euro.

Weil diese „Werthaltigkeitsgarantie“ je nach Bilanzierungsmethode anders ins Gewicht fällt, unterscheiden sich die Ergebnisse: Bei der IFRS-Bilanz steht unterm Strich ein Fehlbetrag von 133 Millionen Euro, beim Abschluss nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) ein Überschuss von 127 Millionen Euro. Doch die Rechnung sieht besser aus, als sie ist: Den Zinskosten für lediglich ein halbes Jahr steht die Dividende von 1,53 Euro je Aktie fürs ganze Jahr gegenüber. Schon im folgenden Geschäftsjahr kommen die vollen Zinskosten zum Tragen, und die Dividende wurde bereits auf 85 Cent gesenkt. Für die nähere Zukunft seien mithin „Jahresfehlbeträge zu erwarten“, heißt es im Anhang des Geschäftsberichts. Nur bei einer Dividende von einem Euro ginge die Rechnung null auf null auf. Doch dieses Niveau dürfte die   EnBW angesichts ihrer schwierigen Lage so schnell nicht wieder erreichen; schon die 85 Cent waren umstritten.

Zugleich verweist der Geschäftsbericht auf das „nicht unerhebliche Risiko“ durch den Anstieg der Kreditkosten. Schon 2014 läuft die erste der beiden Milliardenanleihen aus und muss zu den dann gültigen Konditionen neu aufgelegt werden. „Die Schere schließt sich von beiden Seiten“, sagt der Geschäftsführer der Neckarpri Beteiligungsgesellschaft, Bernhard Jeggle. Sobald der Gewinnübertrag aufgezehrt sei, müsse das Land wohl Geld zuschießen. Tilgen wollte Mappus die Milliardenschulden in einigen Jahren mit dem Weiterverkauf der Aktien. Doch damit habe er lediglich die FDP besänftigen wollen, hieß es CDU-intern; tatsächlich blieben die Anteile wohl lange im Landesbesitz, prophezeiten damals (noch heute führende) Funktionäre. Grün-Rot plant jedenfalls nicht, sich von der EnBW wieder zu trennen.

„Die Schere schließt sich von beiden Seiten“

Gehalten werden die Aktien von der aus steuerlichen Gründen gegründeten Neckarpri Beteiligungsgesellschaft, die ihren Gewinn an die Neckarpri GmbH abführt; deren Geschäftsführer ist der Amtschef von Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid, Wolfgang Leidig. Die Verpflichtung Jeggles für die Beteiligungsgesellschaft hatte einiges Aufsehen erregt. Der 40-Jährige war vorher bei der LBBW als Senior-Analyst für den Energiebereich zuständig. Laut Ministerium soll Jeggle „die Aktionärsrechte im Abstimmung mit dem Land wahrnehmen“. Zudem soll er den Strategieprozess bei der EnBW zwischen Konzern und Land abstimmen und die Zusammenarbeit mit den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW) unterstützen. Für ihn sei es „ein besonderes Anliegen, zur erfolgreichen Bewältigung der Energiewende im Sinne der EnBW und des Landes beizutragen”, sagte Jeggle der StZ. Als Grundgehalt erhält er laut Ministerium etwa 127 000 Euro; die Bezüge werden 2013 nach einer neuen Regelung veröffentlicht.

Geschäftsführer sieht „fundierte Anhaltspunkte“ für Schaden

Als Zeuge vor dem EnBW-Untersuchungsausschuss hatte Jeggle den Aktiendeal im Oktober kritisch bewertet: Es gebe „fundierte Anhaltspunkte, dass dem Land ein Schaden entstanden ist“, lautete das Fazit seiner noch nicht abgeschlossenen Aussage. Einen Betrag nannte er auch wegen des laufenden Schiedsgerichtsverfahrens nicht. Auch die von Mappus gezahlte Übernahmeprämie stellte er infrage. Wegen einer Verkaufsoption der OEW sei diese „zumindest teilweise“ in dem von ihm ausgegebenen Kursziel von 37 Euro enthalten gewesen. Ohne diese Option wäre das Ziel noch tiefer gewesen. Die „schwäbische Hausfrau“ werde vom EnBW-Deal begeistert sein – für den schwäbischen Familienvater Jeggle trifft diese Einschätzung von Mappus offenkundig nicht zu.