Die vermeintliche Musterkoalition aus Grünen und CDU in Baden-Württemberg taugt als Vorbild für Jamaika im Bund nur bedingt, kommentiert unser Politik-Redakteur Arnold Rieger.

Stuttgart - Für das Abenteuer Jamaika gelten zwei Männer aus Baden-Württemberg als die idealen Wegbereiter: Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und CDU-Innenmister Thomas Strobl. Den Protagonisten von Grün-Schwarz eilt geradezu der Ruf von Großmeistern der Kompromissfindung voraus, und sie selbst polieren mit an diesem Image, indem sie ihr Bündnis als Vorbild empfehlen. Wer zuletzt nach Stuttgart blickte, erhielt freilich einen anderen Eindruck: Die Entscheidung, die gerichtlich verhängten Fahrverbote in der Landeshauptstadt von höchster Instanz prüfen zu lassen, kam erst nach heftiger Rangelei zustande. Auch das Alltagsgeschäft zeigt häufige und wechselseitige Versuche, Gelände für sich zu gewinnen. Der Lack der Musterkoalition ist jedenfalls ziemlich matt.

 

Das liegt zum Teil an Kleinigkeiten wie etwa dem Vorpreschen der CDU-Landtagsfraktion im Umgang mit der früheren Lufthansamaschine „Landshut“. Obwohl die Abgeordneten wissen mussten, dass sie damit Begehrlichkeiten bei anderen Privatmuseen wecken, sprachen sie sich dafür aus, die Ausstellung des geschichtsträchtigen Flugzeugs im Dornier-Museum mitzufinanzieren. Zum Ärger der Grünen, versteht sich. Auch beim Thema Schuldentilgung fanden diese sich bedrängt und überrumpelt: Fast triumphierend verkündete CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart, der Koalitionspartner sei nun seiner Empfehlung gefolgt, eine halbe Milliarde Euro zurückzuzahlen – obwohl Grünen-Finanzministerin Edith Sitzmann lieber die Steuerschätzung abgewartet hätte.

CDU erfährt aus der Zeitung von Hermanns Plänen

Auf der anderen Seite sucht gern mal Winfried Hermann seinen Vorteil. So durften die Christdemokraten aus der Zeitung erfahren, welche neuen Maßnahmen sich der Grünen-Verkehrsminister zur Verbesserung der Luftqualität ausgedacht hat. In dem dreistelligen Millionenpaket sind auch kostspielige Posten für den Landesetat enthalten – zur Verwunderung der CDU-Landtagsfraktion. Überhaupt legt kein anderes Thema die Spannungen so bloß wie der Komplex Luftverschmutzung/Fahrverbote. Hatten sich Grüne und Schwarze während des Bundestagswahlkampfs noch Beißhemmung auferlegt, so fühlen sich beide jetzt zunehmend ihren jeweiligen Interessensgruppen verpflichtet: hier die Wirtschaft, dort die Umweltverbände.

Vor allem CDU-Landeschef Thomas Strobl steht wegen der Stimmenverluste für seine Partei im Südwesten massiv unter Druck. Nur so lässt sich sein irrationaler Kurs im Streit mit den Grünen über den Umgang mit dem Fahrverbotsurteil erklären. Zunächst beharrte er darauf, Berufung dagegen einzulegen, ging dann aber nach einem Telefonat mit Kretschmann (der seinerseits unter Druck stand) auf Kompromisslinie und gab sich mit dem Rechtsmittel der Revision zufrieden. Dass die Grünen seiner Maximalforderung nicht nachgeben würden, hätte er vorher wissen können. So hat der CDU-Vormann ohne Not die Latte mannshoch gelegt – um dann unter spöttischen Kommentaren darunter hindurchzugehen.

Ergebnisse der Bundestagswahl sind nicht gerade förderlich

Das alles wirft Grün-Schwarz noch nicht aus der Bahn. Auch in der früheren grün-roten Koalition hing der Haussegen oft schief. Doch seit der Bundestagswahl ist die Stimmung labiler. Niemand bei den Koalitionspartnern hakt das Ergebnis als rein Berliner Angelegenheit ab. Während die Grünen sich gestärkt wähnen, nagt an den Christdemokraten der Zweifel, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Für die Kompromissbereitschaft ist das nicht gerade förderlich, auch nicht, wenn es um Jamaika geht. Strobl muss liefern, und die Grünen-Basis wird auch Kretschmanns Pragmatismus Grenzen setzen. Einfacher wird Jamaika mit den beiden also nicht.

arnold.rieger@stzn.de