Baden-Württemberg steht im Bundesvergleich gut da. Nur in wenigen Ländern haben junge Menschen mehr Auswahl bei der Ausbildungsplatzsuche. Dennoch gibt es Verbesserungsbedarf.

Stuttgart - Das neue Ausbildungsjahr ist schon einige Wochen alt, doch noch immer sind viele Betriebe auf der Suche nach Nachwuchs. Gleichzeitig haben viele Bewerber noch keine Lehrstelle gefunden: Knapp 7200 unbesetzten Lehrstellen stehen 1000 unversorgte Bewerber gegenüber, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Montag im Anschluss an ein Spitzentreffen des Ausbildungsbündnisses im Land mit. 8500 Bewerber haben demnach mittlerweile zwar eine Alternative angenommen, etwa eine schulische Weiterbildung, ein (Auslands-)Praktikum oder einen Aushilfsjob. Sie suchen aber parallel dazu weiter nach einer Lehrstelle. Nimmt man diese Bewerber hinzu, dann übersteigt die Zahl der suchenden Bewerber die der freien Ausbildungsplätze.

 

Fast die Hälfte der noch offenen Lehrstellen entfallen auf lediglich zehn Berufe. Die meisten freien Ausbildungsplätze gibt es für Kaufleute im Einzelhandel und Verkäufer (1130), Fleischerei- und Bäckereifachverkäufer (550), Restaurant- und Hotelfachleute (490), Köche (340) sowie zahnmedizinische Fachangestellte und Friseure (je 240).

Gewerkschaftsbund mahnt Betriebe zu mehr Engagement an

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nimmt die Zahlen zum Anlass, um mehr Engagement von den Betrieben einzufordern: „Hotel- und Gaststättenbetriebe, das Nahrungsmittelhandwerk und der Handel müssen die Qualität der Ausbildung deutlich steigern, um künftig noch Jugendliche als Fachkräfte gewinnen zu können“, sagte die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf am Montag. Faire Ausbildungsvergütungen, Tarifverträge, gute Einkommen nach der Lehre und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten seien wichtige Auswahlkriterien für Jugendliche – „da sollten die Ausbildungsbetriebe auch in ihrem eigenen Interesse mehr bieten“.

Ausbildungsverträge für das laufende Lehrjahr können nach Angaben der BA noch bis zum 1. Februar 2017 abgeschlossen werden. Damit soll unter anderem Studienabbrechern die Gelegenheit gegeben werden, sich noch für eine duale Berufsausbildung zu entscheiden. Insgesamt verzeichnet die Behörde einen Anstieg sowohl bei der Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen auf 78 500 (plus 5,5 Prozent) als auch bei der Zahl der Bewerber auf 65 600 (plus 1,0 Prozent). Damit stehen jedem Bewerber rein rechnerisch 1,2 Stellen zur Auswahl. Der Ausbildungsmarkt bleibt statistisch ein Bewerbermarkt. Eine noch günstigere Konstellation gibt es lediglich in den vier Bundesländern Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Thüringen. Am wenigsten Auswahl haben Bewerber in Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Digitalisierung verändert viele Ausbildungsberufe

Die Partner des Ausbildungsbündnisses haben am Montag zwei Vereinbarungen geschlossen, eine zur Digitalisierung, eine weitere zur Teilzeitausbildung. „Die Digitalisierung wirkt sich auf fast alle Berufe aus, sowohl inhaltlich als auch methodisch“, sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Katrin Schütz (CDU). Auf Landesebene konzentriere man sich auf die Verbesserung der technischen Voraussetzungen sowie der Qualifikation von Ausbildern und Lehrkräften. Daneben müssten auf Bundesebene auch die Ausbildungsordnungen dem neuesten technologischen Stand angepasst werden.

Dass dies bereits geschehe, bestätigten der Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küpper stellvertretend für die Metall- und Elektroindustrie sowie der Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkstages (BWHT), Oskar Vogel, für Berufe in Handwerk. Vogel nannte drei aktuelle Beispiele: Getrieben durch Innovationen im Bereich 3-D-Druck sei bereits der Beruf des Hörgeräteakustikers modernisiert worden, um Smart-Home-Anwendungen wurden die Ausbildungsordnungen für Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung, Klimatechnik sowie für Rollladen- und Sonnenschutzmechatroniker ergänzt.

Großes Potenzial an Alleinerziehenden ohne Berufsausbildung

Einen erfolgsversprechenden Weg, um mehr alleinerziehende Mütter in Beschäftigung zu bringen, stellt Schütz zufolge die sogenannte Teilzeitausbildung dar. Die Teilnehmerzahlen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. 2015 haben 875 junge Frauen im Land von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Allerdings sei diese Zahl „deutlich ausbaufähig“, sagte die Staatssekretärin. Allein in Baden-Württemberg gebe es rund 85 000 Personen ohne Berufsausbildung mit Kindern unter 18 Jahren, die für das Modell in Frage kämen.

Das Ausbildungsbündnis wird von insgesamt 14 Institutionen getragen. Dazu gehören mehrere Ministerien des Landes Baden-Württemberg, die Industrie- und Handelskammer, der Handwerkstag, kommunale Arbeitgeberverbände, der Deutsche Gewerkschaftsbund, Städte- und Gemeindetag sowie die Bundesagentur für Arbeit.
Die Vereinbarung, die 2004 erstmals geschlossen und seitdem mehrfach verlängert wurde, nimmt vor allem Hauptschüler, junge Migranten und junge Erwachsene ohne Berufsausbildung in den Fokus.