Die Bildungslandschaft ist im Umbruch. An Eltern, Lehrer und Schüler werden ganz andere Anforderungen gestellt als früher. Diese können nur bewältigt werden, wenn die Beteiligten zusammenarbeiten, meint die StZ-Redakteurin Stefanie Keppler.

Stuttgart - Unsere Welt ist komplexer geworden: im Beruf, im Privatleben, in der Kommunikation – und auch in der Schule. In allen Bereichen müssen die Regeln und der Umgang mit den neuen Möglichkeiten angepasst, manchmal auch völlig neu austariert werden. Das trifft auch die Familien und die Schulen, wie aktuell der Konflikt an einer Stuttgarter Schule zeigt. Wenn Eltern nur schwer loslassen können, ihren Kindern zu wenig Freiräume geben und sich über die Maßen in den Schulalltag einmischen, könnte es mit diesem Wandel zu tun haben.

 

Viele Schulen sind im Umbruch, die Einführung der Ganztagsschule ist nur ein Beispiel. Dabei müssen sie völlig neue Aufgaben lösen, was häufig zu Problemen und Reibungsverlusten führt. Daraus resultiert wieder Unsicherheit bei den Eltern. Doch auch die Pädagogen sehen sich vor neuen Herausforderungen, denn viele Kinder verbringen deutlich mehr Zeit an der Schule. Die Schultage dauern in der Regel bis 16 Uhr, zahlreiche Eltern müssen wegen ihrer Berufstätigkeit die verlängerten Betreuungszeiten bis 17 Uhr in Anspruch nehmen. Sie wollen ihre Kinder in dieser Zeit gut aufgehoben wissen.

Beim Thema Schule können alle mitreden

Diese Zeit haben die Kinder früher in der Familie, mit Freunden oder in Vereinen verbracht. Sie war gefüllt mit Spielen, Lesen, Sport, Musik – oder nur mit Faulenzen. Im Idealfall hatten die Kinder in dieser Zeit einen Ansprechpartner für ihre Sorgen und Nöte. All dies soll auch in den Ganztagsschulen möglich sein. Dass dies nicht auf Anhieb immer so klappt, wie es sich Eltern, Lehrer und Erzieher wünschen, dürfte klar sein. Und dass der Gesprächsbedarf vieler Eltern angesichts dieser neuen Rahmenbedingungen groß ist – das sollte auch jedem einleuchten.

Beim Thema Schule können alle mitreden, jeder war selbst einmal in der Schule. Die Erfahrungen von früher dürfen jedoch nicht mit der Situation von heute verglichen werden. Die Unterrichtsformen haben sich stark verändert, die Lehrer setzen heutzutage eher auf ein partnerschaftliches Lernverhältnis. Das erfordert einen hohen Einsatz und mehr Kommunikation mit den einzelnen Schülern. Nicht zuletzt sind die Klassen deutlich heterogener zusammengesetzt als in früheren Zeiten.

Die Anforderungen sind gestiegen

Auch das Verhältnis zwischen Schule und Eltern hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Es wird eine aktive Partnerschaft beider Seiten gefordert. Seien es die Vorbereitungen bei Schulfesten, die Hilfe bei Ausflügen, das Kochen in der Mensa, die Ausgabe des Schulessens oder die Vorbereitung von Elternabenden: Die Liste ist lang, nicht nur Elternvertreter können ein Lied davon singen. Viele dieser Aufgaben haben frühere Generationen auch schon geschultert. Doch die Anforderungen an die Eltern von heute sind gestiegen – und die Zeit, die ihnen zur Verfügung steht, wird immer weniger. Denn immer mehr Frauen arbeiten, auch wenn der Nachwuchs noch im Kleinkindalter ist. Spätestens im Schulalter steigt die Mehrheit wieder in den Beruf ein. Das ist gut so. Beruf und Familie zu vereinbaren erfordert jedoch viel Energie, einen enormen Organisationsaufwand und damit auch eine intensive Kommunikation zwischen allen Beteiligten: zwischen Müttern und Vätern, zwischen Arbeitgebern und berufstätigen Eltern, zwischen Eltern und Kindern und auch zwischen Eltern und Lehrern.

Bei der Organisation des oft hektischen Familien- und Schulalltags ist es notwendig, dass sich die Partner Verständnis und Respekt entgegenbringen. Das heißt, den Kindern Freiräume zu lassen, den Lehrern Vertrauen entgegenzubringen – aber auch den Eltern mehr Kommunikationsmöglichkeiten zuzugestehen. Das ist anstrengend und kostet Überwindung. Aber die neuen Aufgaben können nur gemeinsam gemeistert werden. Das müssen uns unsere Kinder wert sein.